1888, Briefe 969–1231a
1222. An Franz Overbeck in Basel
<Turin, 29. Dezember 1888>
Nein, lieber Freund, mein Befinden ist nach wie vor ausgezeichnet; nur habe ich den Brief bei sehr schlechtem Licht geschrieben — ich erkannte nicht mehr, was ich schrieb. Auch darfst Du nicht denken, daß jene „traurigen“ Mittheilungen auch nur im Entferntesten mich berührten; das liegt seit Jahren tausend Meilen unter mir. — Die Sache mit F<ritzsch> laufen zu lassen ist jedenfalls die Vernunft selbst: er hat mir in seinem neuesten Brief noch erklärt, daß er sich an die genannte Ziffer gebunden wisse. — Ich bin heute sehr glücklich über einen überaus liebevollen und delikaten Brief des Ms. Bourdeau, der mir erzählt, wie viel er von mir schon kenne und wie er von seinem Freunde Hillebrand sehr gut über mich seit lange unterrichtet worden sei. Das Journal des Déb<ats> bringe im Monat Januar einen Artikel über den „Fall Wagner“ aus der Feder Monod’s. — Auch Heusler hat mir auf das Herzlichste geschrieben. —
„Crépuscule des idoles“ wird zuerst in Angriff genommen; ich bin für die Übersetzung desselben Werks mit Miß Helen Zimmern in Unterhandlung, die auch schon Schopenhauer den Engländern vorgestellt hat. — (Ich verhandle auch mit Bonghi —) Unterschätze nicht, daß ich den Fall Fritzsch als Glücksfall empfinde…
Mein Brief kommt gerade zur rechten Zeit, um Dir und Deiner lieben Frau herzlich zum neuen Jahr Glück zu wünschen.
Dein Freund N
— Weißt Du, in meiner äußeren Lage verändert sich in den nächsten Jahren gar nichts, vielleicht überhaupt nicht mehr. Ich mag jeden Grad von Ansehn erreichen, ich will weder meine Gewohnheiten, noch mein Zimmer für 25 frs. aufgeben. Man muß sich an diese Sorte Philosoph gewöhnen. —
Es ist wieder recht schlechtes Licht — come in Londra, sagen mir die Turiner seit 6 Tagen. Nebbia!…
Ich bildete mir sogar ein, ich hätte Dir lauter sehr heitre Sachen geschrieben? — Aufrichtig, ich weiß gar nicht mehr, wie das aussieht, was man Ärger nennt…