1888, Briefe 969–1231a
1199. An August Strindberg in Holte
Torino, Via Carlo Alberto 6 III <18. Dezember 1888>
Werther und sehr lieber Herr,
inzwischen hat man mir aus Deutschland „den Vater“ geschickt, zum Beweis dafür, daß ich gleichfalls meine Freunde für den Vater des Vaters interessire. — Das Théatre libre des Ms. Antoine ist ja dazu gemacht, um zu riskiren. Ihr Werk ist vollkommen unschuldig gegen das, was man schon in den letzten Monaten darauf riskirt hat. Es kam dahin, daß A<lbert> Wolf, im Leitartikel des Figaro, öffentlich, im Namen Frankreichs, erröthete. — Aber M. Antoine ist ein eminenter Schauspieler, der sofort die Rolle des capitains („Rittmeisters“) sich aneignen wird. Ich rathe nicht mehr, Zola hineinzumischen, sondern Exemplar und Brief direkt an Ms. Antoine, directeur du theatre libre, zu senden. Man spielt gerne Ausländer —
Draußen bewegt sich, mit düsterem Pomp, ein großes Leichenbegängniß: il principe di Carignano, Vetter des Königs, Admiral der Flotte. Ganz Italien in Turin. —
Ach, wie Sie mich über Ihre Schweden unterrichtet haben! Und neidisch gemacht haben! Sie unterschätzen Ihr Glück: „o fortunatos nimium, sua si bona norint“ — nämlich, daß Sie kein Deutscher sind… Es giebt gar keine andere Cultur, als die französische, es ist kein Einwand, sondern die Vernunft selber, daß man in die einzige Schule geht — sie ist nothwendig die rechte.. Wollen Sie den Beweis dafür? — Aber Sie sind der Beweis! —
Ich sende, mit allerverbindlichstem Danke, die Hefte wieder zurück, in der Annahme, daß Sie dieselben nicht in mehreren Exemplaren besitzen. —
Gleichzeitig mit Ihrem Brief kam ein Brief aus Paris an, von Ms. Taine, voll der höchsten Auszeichnungen für die Götzen-Dämmerung in Hinsicht auf audaces et finesses, und mit einer sehr ernsten Aufforderung, die ganze Frage meines Bekanntwerdens in Frankreich, eingerechnet die Mittel dazu, in die Hände seines Freundes, des Chef-Redakteurs des Journal des Débats und der Revue des deux mondes zu legen, dessen tiefe und freie Intelligenz, auch was Form, was Kenntniß des Deutschen und der deutschen Cultur betrifft, er mir nicht genug zu rühmen weiß. Zuletzt lese ich seit Jahren nur noch das Journal des débats. — Auf diesen Eröffnung meines Panama-Canals nach Frankreich hin habe ich die weitere Publikation von neuen Schriften (drei sind vollkommen druckfertig —) aufs Unbestimmte hinausgeschoben. Zunächst sollen die beiden capitalen Bücher Jenseits von Gut und Böse und die Götzen-Dämmerung übersetzt werden: damit bin ich in Frankreich vorgestellt. —
Ihnen zugethan und voll guter Wünsche
Nietzsche.