1857, Briefe 14–16
14. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Eilenburg
Naumburg den 20 Aug. <1857>
Liebe Mamma!
Lange schon habe ich dir für deinen ersten lieben Brief danken wollen; da bekam ich gestern noch einen zweiten. Nun will ich aber auch heute gleich schreiben. Ich denke recht oft an dich und freue mich sehr daß Du den Montag kommst. Doch ich habe es sehr gut bei der Tante und Frau Pastorin. Bei Rosalien esse ich jetzt sowohl Mittag als Abend. —
Mittwoch vor 8 Tagen bin ich hier angekommen ganz wohl und gesund und es war in Pobles sehr hübsch. Ein sehr starkes Gewitter haben wir dort erlebt. In Sela<u> brannte eine Wohnung Scheune und Stall ab. Wir konnten das ganze Feuer sehen. Hier haben wir noch keins erlebt, aber haben jetzt rechte nasse Tage. Ich wünsche dir zu deiner Ankunft recht gutes Wetter, obwohl du nicht viel gehen wirst. — Gestern war ich zu der Frau Geheimerräthin Lepsius eingeladen und war mit der Tante dort. Es war sehr hübsch, und sie läßt dich noch viele Mal grüßen. — Gebadet habe ich erst zweimal und ich werde auch wohl nicht mehr: Es ist zu kühl. Du befindest dich nach Deinen Briefe recht wohl und Elisabeht auch, badet täglich und seit viel in Garten. Das freut mich sehr und ich wünsche daß ihr auch so gesund ankommen möget. Ich habe nun nicht mehr lange zu warten, daß ich meine liebe Mama und Elisabeth wieder sehe und deßwegen will ich nicht mehr schreiben. Noch viele Grüße von Frau Pastor Haarseim Tante Rosalien, Tanten Daechsels und ich verbleibe in freudiger Erwartung auf baldiges Wiedersehn
Dein Dich innig liebender Sohn
Friedrich W. Nietzsche.
Liebe Elisabeht! Ich danke dir noch viele Mal für Deinen lieben Brief, wußte aber nicht wo das Bad was du beschriebst war, ob Ehrenberg-Eigenthum oder Flußbad wie in Naumburg. — Deine Wiege ist besorgt die Stelzen noch nicht weil ich bis jetzt nicht weiß, wo sie stehen. — Wir werden uns nun bald wiedersehen und zusammensein. Deßhalb nimm mit diesen wenigen Worten fürlieb und komm recht gesund in Naumburg an bei
Deinen dich liebenden Bruder
Fritz Nietzsche.
15. An Wilhelm Pinder in Heringsdorf
<Naumburg, Ende August 1857>
Lieber Wilhelm!
Doch noch eimmal wollte ich dir schreiben, ehe Du vom Ufer des Meeres zurückkehrst. Denn wie lange sind wir schon getrennt und haben uns nicht gesehen! Wie ich gehört habe, befindest Du dich mit Deiner lieben Mamma recht wohl. Es wird dir gewiß sehr dort gefallen und oft wünschte ich, bei dir zu sein. Ich freue mich schon darauf, wenn du mir alles recht genau erzählen wirst. Ich habe jetzt auch wieder einige Zeit lang allein gelebt während die Mamma mit Elisabeth sich in Eilenburg aufhielt. Da habe ich oftmals an Dich gedacht und dich sehr entbehrt. Deine Arbeiten habe ich an Hr. D. Silber abgegeben. Er lobte deßhalb dich vor der ganzen Klasse sehr. Die mündliche Privatarbeit ist bis jetzt noch nicht darangekommen, auch den Hannibal haben wir nicht abgeben müssen. Den Dion habe ich nun vollendet und fange den Chabrias an. Im Alcibiades sind wir bis zu den 7ten Cap. gekommen. Überhaupt haben wir jetzt immer genug zu thun, und ich kann keine Zeit auf unsre Pläne verwenden. Du wirst dich gewiß auch lieber im freien aufhalten. Komm nur recht gesund wieder zurück, dann wollen wir uns viel erzählen, jetzt aber wollen wir recht an einander gedenken und uns lieb behalten. Dieses wünscht
Dein dich liebender
Fritz Nietzsche.
N.B. Eben trägt mir noch die Mamma herzliche Empfehlungen an Deine liebe Mamma und dich auf.
16. An David Ernst und Wilhelmine Oehler in Pobles
Naumb. a/S den 1. Nov. <1857>
Liebe Großeltern!
Für Euer schönes Geschenk Euch besonders zu danken, lasse ich mir nicht nehmen. Ich habe mich sehr darüber gefreut, bin aber noch im Zweifel, ob ich es in die Sparbüchse thue, oder zu einen Lieblingswunsch anwende. Auch danke ich Dir, liebe Großmamma, noch für den lieben Brief mit den herzlichen Wünschen, welcher mich sehr erfreut hat. Meinen Geburtstag habe ich sehr hübsch verlebt, nur etwas ruhiger als gewöhnlich. Wir hatten nämlich die Feier aufgeschoben, weil Wilhelm Pinder noch unwohl war, jetzt aber sich schon sehr gebessert hat. Auch wurde der Tag wegen Krankheit unsers lieben Königs auch so stiller gefeiert. Doch habe ich aber sehr viel bekommen. Die Mamma beschenkte mich mit einen Bilde Eilenburg (welches in meinen kleinen Cabinet über den Pulte hängt) einer Weste, einen Schirm, Schreibebüchern in großen und kleinen Format, Elisabeth mit Notenpapier, Wilhelm und Gustav mit Sonaten von Beethoven, Tante Rosalchen mit Kuchen, Weihntrauben, Nüssen, Birnen, Aepfeln die Tanten Daechsels mit zwei Thalern, Torte und Weintrauben. Zu Mittag war Tante Rosalchen bei uns und wir verzehrten mein Leibgericht, tranken Wein auf mein und des Königs Wohl und waren sehr froh. Dann gingen wir mit Tante Riekchen und Lina spazieren. Ich will aber nun schliesen, da ich noch ungemein zu arbeiten habe. Ich grüße Euch, liebe Großeltern nebst Onkels und Tanten herzlich und verbleibe
Euer Euch innig liebender Enkel
Fr. W. Nietzsche.