1888, Briefe 969–1231a
1139. An Constantin Georg Naumann in Leipzig
Turin, den 6. November 1888
Geehrter Herr Verleger,
wundern Sie sich jetzt über Nichts mehr bei mir! Zum Beispiel, daß wir, sobald die Götzen-Dämmerung in jedem Sinne erledigt ist, sofort einen neuen Druck beginnen müssen. Ich habe mich vollkommen davon überzeugt, noch eine Schrift nöthig zu haben, eine im höchsten Grade vorbereitende Schrift, um nach Jahresfrist ungefähr mit dem ersten Buche der Umwerthung hervortreten zu können. Es muß eine wirkliche Spannung geschaffen sein — im andern Falle geht es wie beim Zarathustra. Nun war ich die letzten Wochen auf das Allerglücklichste inspirirt, Dank einem unvergleichlichen Wohlbefinden, das einzig in meinem Leben dasteht, Dank insgleichen einem wunderbaren Herbst und dem delikatesten Entgegenkommen, das ich in Turin gefunden habe. So habe ich eine extrem schwere Aufgabe — nämlich mich selber, meine Bücher, meine Ansichten, bruchstücksweise, so weit es dazu erfordert war, mein Leben zu erzählen — zwischen dem 15. Okt. und 4. November gelöst. Ich glaube, das wird gehört werden, vielleicht zu sehr… Und dann wäre Alles in Ordnung. —
Nun die Frage der Herstellung. Meine Absicht ist, diesem Werke bereits die Form und Ausstattung zu geben, die jenes Hauptwerk haben soll, zu dem es in jedem Sinne eine lange Vorrede darstellt. Hören Sie nun, werthester Herr Verleger, was ich in Vorschlag bringe.
Das gleiche Format, wie das der letzten Schriften. Die Spatien zwischen den Zeilen exakt wie in dem Vorwort vom „Fall Wagner“ und der „Götzen-Dämmerung“. Die Zahl der Zeilen 29. Keine Linie um den Text; dagegen die Zeile breiter. Das Papier nicht anders als das der letzten zwei Schriften. — Würde es Ihnen gefällig sein, mir einen Probedruck einer derartigen Seite einmal zuzusenden, damit ich sie mit Augen sehe? Nehmen Sie irgend ein Manuscript-Stück der Götzen-Dämmerung, das eine ganze Seite füllt, dazu! — Die neue Schrift heißt:
Ecce homo
Wie man wird, was man ist.
Mit freundlichstem Gruß
Ihr Nietzsche