1883, Briefe 367–478
404. An Malwida von Meysenbug in Rom
<Genua, um den 20. April 1883>
Wollen Sie nicht ein wenig mit lachen, hochverehrte Freundin? Ich lege eine Karte bei, vom Verfasser jenes Briefes — Erwägen Sie doch, es ist gegen das Ende des neunzehnten Jahrhunderts! Und der Schreiber ist ein anscheinend vernünftiger Mensch ein Skeptiker — fragen Sie nur meine Schwester!
Es ist eine wunderschöne Geschichte: ich habe alle Religionen herausgefordert und ein neues „heiliges Buch“ gemacht! Und, in allem Ernste gesagt, es ist so ernst als irgend eines, ob es gleich das Lachen mit in die Religion aufnimmt. —
Wie geht es Ihrer Gesundheit? Ich war im Ausgange des Winters schlimm daran: ein heftiges Fieber hat mich fast fünf Wochen gequält und ans Bett gefesselt. Wie gut, daß ich allein lebe! -
Nicht wahr, Sie heben mir die beiden Curiosa auf oder senden Sie gelegentlich zurück? Bis zum 25ten bin ich (was ich im Grunde sehr bin) noch Genuese.
Von Herzen Sie verehrend
Nietzsche.
Die Bemerkung auf der Mitte der Karte ist gut. — In der That habe ich das Kunststück (und die Thorheit) „begangen“, die Commentare eher zu schreiben als den Text. — Aber wer hat sie denn gelesen? Ich meine: jahrelang studirt? Ein Einziger, so viel ich weiß: dafür hat er nun auch seine Freude am Texte.
In Deutschland fand ich voriges Jahr die Oberflächlichkeit des Urtheils bis zu dem Punkte des Blödsinns gereift, daß man mich mit Rée verwechselte. Mit Rée!!! Ich meine, Sie wissen, was das sagen will. —