1883, Briefe 367–478
380. An Cosima Wagner in Bayreuth (Entwürfe)
<Rapallo, Mitte Februar 1883>
Sie haben Einem Ziele gelebt und ihm jedes Opfer gebracht; über den Menschen hinaus empf<anden> Sie das Ideal dieses Einen, und ihm, welches nicht stirbt, gehören Sie, gehört Ihr Name für immer.
und über die Liebe jenes Menschen hinaus erfaßten Sie das Höchste, was seine Liebe und seine Hoffnung erdachten: Dem dienten Sie, Dem gehören Sie und Ihr Name für immerdar — dem was nicht mit einem M<enschen> stirbt, ob es schon in ihm geboren wurde
So sehe ich heute auf Sie, und so sah ich, wenn gleich aus großer Ferne, immer auf Sie, als auf die bestverehrte Frau, die es meinem Herzen giebt.
Wenige wollen so etwas: und von den Wenigen: wer kann es so wie Sie!
Sie haben es sich früher nicht verwehrt in ernsten Lagen auf meine Stimme zu hören: und eben jetzt, wo mich die erste Nachricht ereilt, daß Sie das Ernsteste jetzt erlebt haben, weiß ich mein Gefühl nicht anders auszuschütten als indem ich ganz an Sie und nur an Sie allein es richte
weiß ich nicht anders zu thun als ich es früher that
als die bestverehrte Frau, die es meinem Herzen giebt.
Wir sind nicht Gegner in kleinen Dingen gewesen
nicht was Sie verlieren, sondern was Sie jetzt besitzen, steht mir vor der Seele: und es wird wenig M<enschen> geben, die mit Einem so tiefen Gefühl sagen: so war es Alles meine Pflicht — es war auch mein ganzer Besitz — was ich um diesen Einen that, und nichts [— — —]
Ich denke, ich spreche mit diesem Allem von Ihnen meine hochverehrte Frau? Aber ich denke, ich sprach mit diesem Allem auch ganz und gar von ihm. Ja es ist jetzt schwer geworden, von Ihnen allein zu reden. —
ich glaube durchaus nicht an irgendwelche noch versteckte Welten, aus denen etwas Tröstungen zu entnehmen wären. Das Leben ist genau so tief und schwerwiegend als wir es tief <und> schwerwiegend zu machen wissen: aber es giebt Einige die aus hundert furchtbaren Zufällen die nicht in unserer Hand stehen, immer wieder Vernunft und Schönheit aufzurichten wissen durch den Glauben an V<ernunft> und Sch<önheit> — das ist nun der beste gute Wille und die beste gute Kraft, das war und ist im Höchsten Ihre Kraft.
Es ist immer noch Kampf; und die ersten Bollwerke sind immer noch zu erstürmen. Da ist der Anblick des Lebens hart, gräßlich, — und wenn man Einen sieht, der um neuer Farben und Töne willen, wie ein — — —
Sie haben es sich früher nicht verwehrt, in ernsten Lagen auch meine Stimme <zu> hören: und jetzt, wo die Kunde zu mir kommt, daß das Ernsteste Sie getroffen hat, weiß ich nicht anders zu thun als ich früher that und bitte Sie desgleichen zu thun — ich habe kein Mittel, das Gefühl, das mir diese Kunde giebt, auszuhalten als indem ich es ganz auf Sie und nur allein auf Sie richte.
Nicht was Sie verlieren, sondern was Sie jetzt erst besitzen, soll nun vor meiner Seele stehn: wie Sie jetzt wohl zu sich sprechen dürfen: dies nun habe ich vollbracht, so wollte es meine Pflicht, was ich um diesen Einen that, und Alles habe ich gethan und dargebracht und mich nicht geschont, ich war unerbittlich, und wo ist der Tropfen Blutes, den ich für mich behielt: eine tiefe Ruhe hinter allem Schmerze: ich fühle es. Und so habe ich es einstmals gewollt.“ —
bis um letzten Blutstropfen sich vergeben und ohne Schonung so — — —
Über die Liebe jenes Menschen hinaus erfaßte ich das Höchste, was seine Hoffnung erdachte: dem diente ich, und diesem Höchsten, das nicht stirbt, gehöre ich an und mein Name für immerdar.
So sehe ich heute auf Sie, und so sah <ich>, wenn gleich aus großer Ferne, immer auf Sie — als auf die bestverehrte Frau, die es meinem Herzen giebt.
Wenige wollen so etwas von sich wie Sie es wollen: und von diesen Wenigen — wer kann es dann so wie Sie es können und konnten! Ein Kampf ist fortwährend, jedes große Leben durch und durch, und es gäbe Gründe über Gründe, wenn der Anblick eines solchen kämpfenden Lebens immer hart und gräßlich wäre.