1886, Briefe 655–784
732. An Ernst Wilhelm Fritzsch in Leipzig
Sils-Maria Oberengadin (Schweiz) 16. August 1886.
Werthester Herr Verleger,
anbei folgt ein Stück Manuscript (Vorrede und Schlußgedicht) womit ich meinerseits dazu beitragen möchte, die noch übrigen 500 Exemplare von Menschl<iches> Allzumenschl<iches> flott zu machen. Ich bemerke ausdrücklich, daß dafür meinerseits durchaus kein Honorar verlangt wird; mein Wunsch ist, Ihnen zu erkennen zu geben, daß ich Ihnen für das muthige mir bewiesene Vertrauen dankbar bin. —
Das Stück Psychologie, welches in dieser Vorrede enthalten ist, dürfte an sich schon interessant genug sein, um das Buch flügge zu machen; es ist ein wesentlicher Beitrag zum Verständniß meiner Bücher und der ihnen zu Grunde liegenden schwerverständlichen Selbstentwicklung. Ich schrieb es in meinem letzten Monate des Nizzaer Winteraufenthaltes nieder, ein paar Wendungen abgerechnet, die der Engadin dazu erfunden hat. —
Mein Gedanke ist, daß Sie dies Buch (mein leichtverständlichstes und vorbereitendes) zuerst und zunächst in Umlauf setzen möchten. Es hat seine Freunde in den vereinigten Staaten, in Holland, in Italien und namentlich in Frankreich. —
Vielleicht ist es, entgegen dem, was ich in meinem letzten Briefe vorschlug, rathsamer, den Zarathustra einstweilen noch zurückzuhalten. Er wird am stärksten wirken und gekauft werden, wenn erst eine gewisse Sättigung mit meinen Gedanken und Perspektiven bei dem Publikum erreicht ist. Das eben ausgegebne Buch „Jenseits von Gut und Böse“ wird ihm nicht übel den Weg bereiten.
Im Falle Ihnen mein Vorschlag annehmbar scheint, so würde ich bitten, den Correkturbogen für Vorrede und Schlußgedicht umgehend in Angriff nehmen zu lassen (vielleicht bei C. G. Naumann, der alle meine Gewohnheiten etc. kennt?) denn ich bleibe nur noch bis Ende August hier oben und würde mich für Monat September schwerlich bestimmen können (ich habe eine Fußreise nöthig).
Meine einzige Bedingung wäre, daß die Vorrede in Lettern und Raumverhältnissen genau nach dem Muster der Vorrede zu „Jenseits von Gut und Böse“ gedruckt wird. Man muß sie accentuiren.
Herzlich grüßend Ihr ergebenster
Dr. Nietzsche Prof.
Es fällt mir ein, daß Schmeitzner (wider meinen Rath) eine Anzahl Exemplare hat binden lassen, noch dazu geschmacklos. Weg mit diesen Einbänden! Es verkauft sich kein einziges derartiges Exemplar! —