1886, Briefe 655–784
722. An Franziska Nietzsche in Naumburg
<Sils-Maria, 17. Juli 1886> Mittwoch
Hier, meine liebe Mutter, ist der Brief vom Lama. Beachte die angestrichnen Stellen. — Eben kam Deine Karte, schönsten Dank! Inzwischen war ich immer noch krank, unzufrieden und geistig gehemmt, auch schlecht genährt: doch habe ich jetzt etwas, das mir gut zu thun scheint — ich esse Ziegenkäse und trinke Milch dazu (Was meinst Du? ist 50 Pfennige für ein Pfund Käse theuer?) Dann habe ich 5 Pfd. Malto-Leguminose von der Fabrik bestellt: was heute ankommen wird. Lassen wir also jetzt den Schinken (denn nach der bisherigen Erfahrung hier oben bekommt er mir nicht zum Besten; auch möchte ich nicht gern noch mehr Fleisch essen) Ebenso laß die Suppentafeln: alles Kochen ist mir zu mühvoll, und, wie gesagt, ich habe Malto-Leguminose bestellt: Aber trotzdem, bitte, ein kleines Freßkistchen mit etwas Hübschem, zur Abwechslung.
Mit Fritzsch und Schmeitzner ist die Sache stecken geblieben. Es ist ein Jammer. —
Gestern haben mir meine Damen einen delikaten mit saurer Sahne angemachten Quark geschickt, nach russischer Manier, nebst 2 schönen Grahambroden. —
Köselitz schreibt, er hoffe es durchzusetzen, daß er im Frühherbst nach Nizza übersiedele: was mich sehr erbaut hat. Ich möchte dort gerne ein kleines Heim haben. Wer weiß, vielleicht versorgt mich meine alte Mutter noch mit ihrer angenehmen Russin.
Auch Hr. Lanzky schreibt, er habe ein Paar hundert Francs gespart, um mit mir den Winter in Nizza leben zu können. Wirklich, ich freue mich zum ersten Male auf Nizza. — Ich glaube nicht, daß es mit Sils-Maria so fortgeht. Andere Jahre muß ich etwas probiren, dies Jahr will ich mich noch nach der Decke strecken. —
Dankbar und herzlich eingedenk
Dein alter Philosoph und Sohn.