1886, Briefe 655–784
727. An Paul Lanzky in Vallombrosa (Entwurf)
<Sils-Maria, Anfang August 1886>
Ihr Vorschlag Corte betreffend verdient sehr erwogen zu werden: nur sind Sie, werther Freund, kein M<ensch>, mit dem ich eigentlich reisen möchte. Ja wenn Sie die Augen eines Malers im Kopf hätten! Und dann noch die pittoreske Redekraft, um einem Halbblinden die Distraktion des Sehens wenigstens indirekt zu schaffen! <Ich> suche lange schon einen mir befreundeten Münchner Aquarellisten zu einer Reise nach Corsica zu bewegen. — Zuletzt steht es nicht mehr ganz in meiner Hand, über diesen Herbst zu verfügen: denn ich will, wenn es irgend möglich ist, meinem Musiker den Anfang und Eintritt in den westlichen Süden erleichtern. Ihn dazu verführt zu haben, habe ich nun einmal auf dem Gewissen: mir liegt sehr viel daran, zu erproben was dort, unter dem einzig afrikanischen Stück Europas, aus einem deutschen Musiker wird, nachdem der außerordentliche Erfolg Venedigs (und seines feuchten Orients) bewiesen ist. — Was mich selbst betrifft, so ist Nizza eine bewiesene, ja die bewiesene Sache (— Sie dürfen nicht nach dem vorletzten Winter urtheilen, der leider der mißrathenste all meiner südlichen Winter war!) Noch fehlt mir viel dort, um wirklich mich daselbst heimisch zu fühlen: vor allem eine heitere und geistreiche Geselligkeit, wie ich sie im Grunde mein ganzes Leben um mich gehabt habe, die Krankheits-jahre abgerechnet. Doch findet sich dort allerlei, vorausgesetzt, daß man erst den guten Willen zum Suchen hat: und Angelhacken zB. für die dortige russische Gesellschaft habe ich genug. — Im Übrigen wissen Sie, daß Nizza mein Arbeits- und Einsamkeits-Ort ist, wie Sils-Maria und daß ich mich der Gesellschaft nur bediene, um auf meine Weise arbeiten und einsam sein zu können (nämlich von mir auf Stunden loszukommen, zur Erholung). Mein Musiker, gesetzt daß er dort leben würde, ist einer jener selbstgenugsamen M<enschen> welche man Wochenlang nicht zu sehen bekommt: aber seine Musik gehört zu den wenigen Dingen, welche ich zu meiner Gesundheit schlecht entbehren kann; und er ist mir gründlich genug zugethan, um mir sie nicht vorzuenthalten. — Über Aj<accio> bin ich sehr gut unterrichtet: Luftfeuchtigkeit wie Pisa und Corfu. — Was Algier betrifft, so sagte mir ein alter Schweizer in Nizza, die Riviera habe alles Gute von dort, und alles Schlimme nicht; auch empfehle ich Daudets Charakteristik der Riviera in einem der letzten Capitel des Nabab darauf hin anzusehen. —
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Philosoph
(kopfleidend augenleidend magenleidend)
Von den 6 Exemplaren die an Sie abgehen werden, müssen Sie 2 an die 2 Zeitschriften abgeben. —