1872, Briefe 183–286
261. An Gustav Krug in Naumburg
Basel 16 Oct. 72.
Endlich, endlich, guter Freund, kommt Deine Musik zu Dir zurück, von „günstigen Winden“ heimgetragen. Zunächst bitte ich Dich bei aller Noth ja einen gewissen 4ten und letzten Satz nicht zu vergessen: auch die beschwerlichste Zeit hat ihre Interims. Ich wünsche Dir zur Erholung recht bald einmal ein kurzes Interregnum der Königin Ars. Heute noch habe ich Dein Quartett durchgespielt und durchgelesen — nur mit einem Wunsche: Du mögest mir, wenn der bewußte 4te Satz zu Deiner Zufriedenheit fertig ist, erlauben, mich nach einem Verleger für Dein Werk umzuthun. Willst Du? —
Dein Geburtstagsbrief ist von mir mit Erinnerung an unser vorjähriges Zusammensein gelesen worden, ich danke Dir von Herzen. Siehst Du, lieber Freund, eins erlebst Du nicht wieder — daß ich nämlich wieder componire; im vorigen Herbst hat Dein Vorbild zum letzten Male bei mir ein musikalisches Schmiede-Hammer-Funken-Sprühen hervorgebracht; — nun ist es vorbei!
Durch diese Erinnerung wird mir unsre vorige Herbst Zusammenkunft immer merkwürdig bleiben; meine Musik, gleichsam ein Opfer auf dem Altar unserer Jugendträume, hat es leider nur bis zur Darstellung der „Neujahrsnacht eines Unglücklichen“ gebracht. Das ist nun vorbei. Es war auch hohe Zeit, eine so wild gewachsene Ranke abzuschneiden.
Nun kommt es mir so vor, als wiederspiegele mir Dein Quartett mein damaliges Sinnen und Trachten, Leid und Lust der ganzen jugendlich schwermüthigen Seele — und das macht mir Deine Musik so vertraut und ergreifend. So waren wir: sind wir’s noch? Ich höre unsre Vergangenheit, ein ertönendes Tagebuch — geht’s Dir auch so?
Nochmals, mein lieber Gustav; ich danke Dir sehr für Deine so lang bei mir beherbergte Composition. Bin ich nie mehr im Stande Dir von mir aus etwas Ähnliches zu schicken, so halte Dich zunächst an mein Buch; vielleicht hast Du beim Lesen desselben hier und da eine ähnliche Empfindung wie ich bei Deiner guten Musik.
Leb wohl und bleib mir treu!
Dein F.