1872, Briefe 183–286
244. An Erwin Rohde in Kiel
<Basel, 25. Juli 1872> Donnerstag.
Nun, mein Freund, des Fritzschii wegen sey unbesorgt! Er hat mir sofort eine günstige Antwort zurückgeschrieben und ersucht Dich baldigst ihm das Manuscript zu übersenden. Im Anfange des Herbst will er dann eine Anzeige „im ausgedehntesten Maaße“ von unsern beiden Schriften veranstalten. In Betreff der Ausstattung habe ich ihm nichts geschrieben; vertrauen wir hierin seiner splendiden Anständigkeit; ich würde auch an Deiner Stelle diesen Punkt ganz unerwähnt lassen. — Was denkst Du über den Titel?
Wie gefallen Dir, beiläufig gefragt, meine „gebildeten“ Vorträge? Ich habe sie, Dank Dir, wieder bekommen und gebe sie jetzt an Romundt. Den sechsten und siebenten Vortrag will ich Anfangs Winters hier halten und damit diese ganz populäre Vorstudie abschließen. Romundt der Dir herzliche Grüße sendet, druckt an seiner Schrift: ein hiesiger Verleger hat sie genommen, macht es uns aber nicht recht, weil er in Druck und Ausstattung ganz ruppig ist.
Ich habe einen Entwurf zur nächsten Schrift unter den Händen, genannt „Homers Wettkampf“. Du magst nur immer lachen über die Unermüdlichkeit meiner agonalen Betrachtungen; diesmal kommt etwas heraus. —
Was ich Dir das letzte Mal über die Wilamowitzelei schrieb, waren rechte Lumpereien und gar nichts Principielleres. Aber — Gott sei Dank, wenn Du fertig bist; dann fällt von mir eine wahre Last — nämlich Dich mit jenem Wilamo-Wisch beschäftigt zu wissen! Ach, liebster Freund! Es soll nicht wieder vorkommen. Ich begreife nicht, wie ich Dich in einer solchen Sache noch bestärken konnte — wenn ich nicht immer dabei an unsre seltsame Stellung zu W<agner> gedacht hätte. Als Sendschreiber an W. werden wir Beide eine eigne Rubrik bilden: darüber freue ich mich, mit Dir zusammen genannt zu werden. Und zu einer schicklichen Publicität wollen wir es diesmal schon bringen, sei es auch nur, um die Teubners Lügen zu strafen: diese nämlich wetten, im Briefe an Ritschl, zehn gegen eins daß nicht hundert Exemplare verkauft werden. Ich hätte Lust Ritschl zu schreiben daß ich die Wette aufnehme. Ich habe das Teubner-Pack ein für alle Mal verschworen, nachdem ich ihren perfid-kaufmännischen Brief gelesen habe.
Doch hatte mich die Sicherheit jener Behauptung von 10:1 doch so erschreckt, daß ich auch von Fritzsch ein Nein! erwartete.
Nächsten Dienstag reise ich, zum Jubiläum nach München. Beiläufig giebt es, innerhalb von 9 Tagen Lohengrin Holländer Tristan — Gersdorff kommt wahrscheinlich auch. — Habt ihr schon Ferien? Ich wage nicht mehr zu sagen.
Der heutige Morgen geht darauf, Goethe-Inedita zu lesen: ich bin, ad hoc, von der noch einzig übrig gebliebenen Tochter von Charl. Kästner, eingeladen und habe schon neulich zwei schöne Gedichtchen „Reisesegen an Gräfin E<gloffstein>“ zu hören bekommen.
Ich möchte Du hörtest den Tristan — es ist das Ungeheuerste Reinste und Unerwartetste, was ich kenne. Man schwimmt in Erhabenheit und Glück.
Höre ich bald etwas von Dir, lieber
treuer Freund? Lebwohl!
Dein F.