1872, Briefe 183–286
196. An Wilhelm Vischer(-Bilfinger) in Basel
Basel, Februar 1872.
Hochgeachteter Herr Präsident!
Verehrte Herren!
Das mir von Ihrer Seite zugegangne Schreiben verpflichtet mich Ihnen, sowohl durch die in ihm ausgedrückte Gesinnung als durch die am Schlüsse angekündigte Gehaltserhöhung, zu wärmstem Danke, den auch schriftlich auszusprechen ich nicht umhin kann. Wenn ich aus Ihren Worten eine lebhafte Billigung meiner hiesigen Bestrebungen und Thätigkeiten zu meiner Freude entnehmen darf, so mag es mir auch erlaubt sein, darauf hinzuweisen, wie sehr und wie ernsthaft ich mich vom Beginn meines hiesigen Wirkens an bestreben mußte, um nur einigermaßen jenem seltenen und auszeichnenden Vertrauen zu entsprechen, mit dem Sie mich, hochzuverehrende Herren, als einen Unbekannten-Unbenannten in meine jetzige Stellung an Hochschule und Pädagogium berufen haben. In diesem Bestreben bin ich auf das Angenehmste ebenso durch den wahrhaft collegialischen und wohlwollenden Geist unterstützt worden, den ich im Kreise der mit mir verbundenen Lehrer vorgefunden habe, als durch den eifrigen, auf Bildung und gute Sitte gerichteten Sinn unserer Jugend: so daß meine hier erworbenen Lehrererfahrungen bis jetzt fast nur an guten und tröstlichen Erinnerungen reich sind.
Indem ich Ihnen nochmals meinen besten Willen kundgebe, auch fürderhin zum Wohle unserer Anstalten zu arbeiten, und auch gern das Versprechen hinzufüge, mich nicht ohne die ernsthaftesten Erwägungen und jedenfalls nie aus egoistischen Rücksichten von dem hier anvertrauten Amte abwendig machen zu lassen, habe ich die Ehre,
hochgeachtete Herren,
mich zu bezeichnen als
Ihren ergebensten
Dr Friedrich Nietzsche
ordentl. Prof. der klass. Philologie.