1872, Briefe 183–286
250. An Friedrich Ritschl in Leipzig
Basel 12 Aug. 72.
Verehrter Herr Geheimerath,
hier schicke ich Ihnen die Fortsetzung meiner Abhandlung über das Certamen. Freilich möchte dieselbe c. 35 Druckseiten für sich in Anspruch nehmen; deshalb weiß ich nicht, ob ich auf einen baldigen Abdruck im Rhein. Mus. hoffen darf. Denn voraussichtlich ist der Platz für die nächsten Hefte schon vergeben.
Deshalb habe ich an folgende Möglichkeit gedacht. Wahrscheinlich geben Sie bald einmal wieder einen fasciculus der Acta heraus: für denselben würde Ihnen meine Abhandlung zu Diensten sein, falls Sie sie brauchen können. Nur möchte ich, in diesem Falle, um Eins bitten. Im Rh. M. Bd. 25 ist bereits ein kleiner Anfang der Abhandlung (c. 12 Seiten) abgedruckt, an den nun mein heute eingeschicktes Manuscript sich anschließt. Ich möchte nun sehr wünschen, daß, im besagten Falle, die ganze Abhandlung (dh. 12 + 35 Seiten) in den Acta zusammen erschiene. Dann ist Text und Abhandlung Eigenthum der Acta.
Falls Sie, verehrter Herr Geheimrath, weder so, noch so meinem etwas länglichen Aufsatz zum baldigen Druck verhelfen können, so bitte ich um eine gefällige Rücksendung. In Form eines Programm’s etc. werde ich ihn jedenfalls noch einmal los.
Für Ihre Bemühung bei Teubners sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank. Es thut mir leid, daß nichts daraus geworden ist; doch wird nun Rohde’s Aufsatz bald genug erscheinen, und Sie sollen nun sehen, ob es auf einen „Kampf gegen die Philologie“ oder gegen die „Geschichte“ abgesehn ist: ich begreife nicht, woher die Teubner’s solche sonderbare Befürchtungen haben. Im Gegentheil: ich, als Philologe, wehre mich meiner Haut: mich will man nicht als Philologen gelten lassen; und deshalb vertritt Rohde mich, den Philologen. —
Im Herbst komme ich vielleicht wieder nach Leipzig: dort hoffe ich Sie und Ihre verehrungswürdige Frau Gemahlin begrüßen zu können. — Wissen Sie daß Romundt sich hier in Basel für Philosophie habilitiert? Wenn ich nun noch meinen Freund Rohde etwas mehr in der Nähe hätte, so wäre ich, nach der Seite der Freundschaft hin, in Basel wohl gebettet.
Mit den wärmsten Wünschen
für Sie, verehrter Lehrer
Ihr ergebenster
Friedr Nietzsche.