1872, Briefe 183–286
216. An Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Basel, 2. Mai 1872>
Meine liebe Lisbeth,
die Zeit unseres Wiedersehens rückt heran; deshalb muß ich Dir heute über die Baireuther Dinge etwas Definitives schreiben. Gestern habe ich mich brieflich an den Oberbürgermeister von Baireuth gewendet, für Wohnung und Plätze, natürlich auch gemeldet daß Du mit mir seist. Ich selbst treffe am Sonnabend vor Pfingstsonntag dort ein und erbitte mir nun von Dir eine genaue Bestimmung über Deine Ankunft. Der Festtag (Mittwoch) enthält zwei große Akte, Mittags die Grundsteinlegung mit Wagner’s Festrede, Abends die neunte Symphonie. Wie es scheint, ist etwas große Toilette nöthig. Es wird ein hübsches Zusammentreffen der nächsten Freunde des Wagnerschen Hauses. Ich denke wir werden wohl mit folgenden Freunden im gleichen Hôtel wohnen: Minister von Schleinitz und Frau, Frau von Muchanoff, Gräfin Krokow, Fr. von Meysenbug. Gersdorff und Rohde (der Professor geworden ist) kommen auch.
Du hast wohl gehört daß ich mit Wilhelm Pinder ein paar Tage am Genfersee zusammen war? Ich war mit Prof. Immermann hingereist und habe mich jetzt wieder etwas erholt. — Neulich Abschied von Tribschen. Das ist nun vorbei. —
Unsere liebe Mutter hat mir durch Wilhelm einen Brief überschickt, für den ich herzlich danke. Inzwischen werdet Ihr wohl meinen Brief längst in den Händen haben. Pinder brachte mir eine von Gustav Krug mir dedizirte Composition mit, die ich sehr schätze. Windisch hat sich mit der Tochter des Nationalökonomen Röscher in Leipzig verlobt. Hier war viel Krankheit und immer etwas typhös. Die Bäteli von Vischers, dann die junge Frau Vischer-Sarasin, ein Kind von Immermann’s, die alte Frau Vischer etc. Jetzt ist der junge Prof. Vischer in Straßburg, der alte in Baden.
Die erste Anzeige meines Buches ist auch erschienen, hübsch und gut — aber wo? In einer italienischen Zeitschrift Rivista Europea.
Habt Ihr denn meine Kleider besorgt? Die bringst Du mir mit nach Baireuth. Auch das Geld, von dem Du mir schreibst.
Nein, was Du nicht Alles erlebst! So eine Baireuther Affaire! Du wirst Dir selbst immer merkwürdiger vorkommen, meine gute Schwester. Bringe nur Heiterkeit, gute Laune mit, auch Liebe zu Basel und zu Deinem
Bruder
F.