1872, Briefe 183–286
188a. An Franz Liszt in Pest
Basel in der Schweiz, 17 Januar 1872.
Verehrter Meister,
mein Verleger E W Fritzsch in Leipzig ist beauftragt, Ihnen ein Exemplar meiner Schrift „die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ zu übersenden.
Ich bitte Sie darum, dieser Schrift gewogen sein zu wollen und finde eine hoffnungsvolle Ermuthigung zu dieser Bitte in dem freundlichen Verlangen Ihrer Frau Tochter in Tribschen, dass ich Ihnen, gerade Ihnen, hochverehrter Meister, dieselbe so bald als möglich schicken möge — ein Verlangen, das meinem innersten Wunsche entsprach.
Denn wenn ich mich nach den Wenigen umsehe, die das von mir beschriebene Phänomen, das ich „das dionysische“ nenne, wahrhaft instinctiv erfasst haben — so haftet immer wieder mein Blick vor Allem bei Ihnen: Sie gerade müssen mit den entfremdetsten Mysterien jenes Phänomens in einem Grade vertraut sein, dass ich Sie immer wieder als eine der merkwürdigsten Exemplificationen mit dem höchsten theoretischen Interesse betrachtet habe.
Ich bitte Sie, lesen Sie das Buch.
Mit dem Ausdrucke verehrungsvoller Ergebenheit
Dr. Friedr Nietzsche, ord. Professor in Basel