1872, Briefe 183–286
241. An Carl von Gersdorff in Berlin
<Basel, 20./21. Juli 1872>
Mein lieber Freund,
da hast Du mir wieder einmal schöne Dinge geschrieben, in der That! Deine Rückreisen werden immer bedeutungsvoller. An dieses letzte Erlebniß anknüpfend berichte ich zuerst, was ich heute aus Zeitungen erfahre, daß Bülow wahrscheinlich Generalintendant in München wird — wohingegen Hr v Perfall die Stelle eines Oberceremonienmeisters erhalten soll: Nachrichten glücklichster Natur, deren Kommentar Du Dir selbst geben wirst — falls sie nur wahr sind. Wir müssen also unsren Jubel noch etwas zurückhalten. Wären sie wahr — was von unsern Hoffnungen hienge nicht mit diesen Ereignissen zusammen!
Nun aber, lieber Freund! Vor allem erinnere ich Dich an Deine schöne freiwillige und mir damals wahrhaft erstaunliche Verheißung, daß Du im August wieder in München sein würdest. Vernimm nun: daß auch ich nicht wiederstehen kann!
Wir müssen wieder zusammen die Festwoche Lohengrin Holländer Tristan erleben und wollen diesmal, mit Weisheit uns auch den bildenden Künsten überlassen! Dies ist mein Plan.
Die Universität München feiert ja ihr Jubiläum; ich werde wohl, als einer der Vertreter von Basel, dabei erscheinen.
Ich bitte Dich recht von Herzen: Komm! Für die gütige Besorgung der beschwerlichen Versendung der Anzeigen herzlichen Dank, lieber Freund! Inzwischen reift Rohde’s Gegenschrift: ihr wahrscheinlicher Titel, den ich aber geheim zu halten bitte, ist
Die Afterphilologie des
Dr U<lrich> v. W<ilamowitz-> M<öllendorff>
Sendschreiben eines Philologen
an Richard Wagner.
Es sind 2 Bogen im Druck, bei Fritzsch.
Morgen will ich an Frl von Meysenbugk in Schwalbach schreiben. Meine Zeit verstreicht unter der Conception von schönen griechischen und zukunftsphilologischen Gedanken — das macht glücklich.
Empfiehl mich, ich bitte Dich, Deinen verehrten Angehörigen und verzeih, wenn ich heute kürzer bin. Um so länger will ich in München sein — ich denke wirklich mit Entzücken an das dritte Mal, den Tristan zu schlürfen! Es ist der gesündeste Trank, den ich kenne — ich kam so glücklich-heiter in Basel an, wie ein Bräutigam.
Auf Wiedersehn, theurer, lieber Freund!
F N.
Basel c. 20 Juli, es kann aber auch später sein. Ich bin aber so „unhistorisch“