1885, Briefe 568–654
623. An Helene Druskowitz in Berlin (Entwürfe)
<Sils-Maria, etwa Mitte August 1885>
Mein verehrtes Frl.
Das Exemplar war Ihnen als Eigenthum zugedacht: aber freilich: ein andres ist, sich auch nur Ein Wort daraus zu eigen machen. Und nun wollen Sie gar schon über solche Dinge schreiben! in Bezug auf welche Sie noch nichts erlebt haben, geschweige denn eine heiligste und innerlichste Erschütterung, wie sie jedem Grade von Verständniß erst vorangegangen sein müßte!
Zu meiner traurigen Verwunderung sehe ich aus Ihren — — —
so <viel ich> von diesen jetzigen M<enschen> weiß, ist meine Hoffnung gering.
Verzeihung, mein verehrtes Frl., aber ich gehöre nicht zu denen, welche „Litt<eratur> machen“, noch weniger zu denen, welche glauben, man könne von allen Dingen öffentlich reden. Wer nicht mir aus dem tiefsten Grunde seines Herzens Dank dafür weiß, daß so etwas wie mein Z<arathustra> überhaupt von mir mitgetheilt ist, wer nicht alles Dasein dafür segnet, daß so etwas in ihm, wie dieser Z<arathustra>, möglich ist, dem fehlt Alles, Ohr, Verstand, Tiefe, Bildung, Geschmack und überhaupt die Natur eines „auserlesenen Menschen“. Solche „Auserlesene“ will ich damit an mich heranziehn: — — —
Ps. Das übersandte Exemplar gehört wie billig Ihnen zu, mein liebes und verehrtes Frl., als Ihr Eigenthum
Was Ihren so aufrichtigen, wenngleich nicht gerade um- und einsichtigen, ja vielleicht auch nicht besonders „bescheidenen“ Brief betrifft: so sage ich, wie so oft: Wie schade daß man nicht eine halbe Stunde Gesprächs haben kann, wenn sie noth thut! Ich brachte noch diesen Winter einen gescheuten und sehr ergebenen Gefährten ms Alters dahin, daß er einen Aufsatz, den er über mich geschrieben hatte, vor Beschämung in Stücke riß.