1881, Briefe 74–184
80. An Heinrich Köselitz in Venedig (Postkarte)
<Genua, 9. Februar 1881>
Ach, welche Überraschung war das! Die Schönheit und männliche Anmuth dieses Ihres Manuskriptes zu sehen — das ist wie nach einem römisch-türkischen Bade sich fühlen, reingewaschen nicht nur, sondern verjüngt und verbessert. Ich las und gieng einige Stunden spazieren, voller inniger Gedanken gegen Sie und die Natur. Es scheint mir ein gehaltvolles Buch: aber es ist schwer. In den Morgenstunden dieses herrlichen Februar habe ich noch einen Nachtrag gemacht, damit alles recht unzweideutig herauskomme. — Sie werden, meine ich, damit zufrieden sein. Darf ich diesen Nachtrag senden? — Auch will ich den Titel ändern; Sie haben mich dadurch, daß Sie den zufällig hingeschriebenen Vers aus dem Hymnus an Varuna als Motto nahmen, auf den Gedanken gebracht: sollte das Buch nicht heißen: „Eine Morgenröthe. Gedanken über die moralischen Vorurtheile u.s.w.“. Es sind so viel bunte und namentlich rothe Farben darin! Erwägen Sie es! (Das Titelblatt, mit einfachen, stark wirkenden Ornamenten, sei auch Ihrem Geschmack und Nachdenken empfohlen!)
Der dankbarste Glückliche.