1881, Briefe 74–184
146. An Franz Overbeck in Zürich (Postkarte)
<Sils-Maria, 5. September 1881>
Lieber Freund, und armer Freund! — Denn ich denke mit Beschämung an die Zudringlichkeit meiner Nothstände! — wir wollen die Geldsendung in den October verschieben. Ein rekommandirter Brief, Genova poste restante, doch ohne Angabe, was darin ist, kommt schon in meine Hände. Was die Handwerkerbank und überhaupt jede Anlegung des Geldes in Basel betrifft, so wäre mir die Nennung meines Namens dabei unerwünscht. Falls mein Name aber nothwendig ist, so würde ich einer Züricher Anlage den Vorzug geben.
Ich habe schlimme Zustände durchgemacht, es trat, unter der Einwirkung des geradezu bösartigen und tollen Wetters, eine allgemeine decadence ein. Die Hoffnung auf das Engadin ist diesmal zu Schanden geworden, doch wäre es anderswo mir nicht besser ergangen, mindestens in diesem aufgeregten Europa, das vor Neuerungssucht selbst die Jahreszeiten durcheinanderwirft. Hier hatten wir tiefen Schneewinter, Herbststürme und Sommergewitter und Märzthautage wild durcheinander.
Dein dankbar gesinnter Freund
F.N.