1881, Briefe 74–184
152. An Franziska Nietzsche in Naumburg (Postkarte)
<Sils-Maria, 21. September 1881>
Meine liebe Mutter, gestern hatte ich den besten Tag dieses Jahres — es war ein vollkommner September, Geist und Leib bei mir frei, Mittags kamen die Geschenke, und den ganzen Nachmittag lief ich mit glücklichen und dankbaren Gefühlen an den blauen Seen herum. Die Strümpfe sind ein wahrer Schatz, ich sehe mich schon wieder die langen stillen Abende mit doppelten Strümpfen in der Kälte sitzen. Die Uhr werde ich jetzt um der Uhrkette willen noch weniger gern verlieren, ich denke beide so lange als möglich zu tragen. Die Handschuhe kommen sehr erwünscht, ein klein wenig allerdings post festum, denn ich habe schon ein erfrornes Fingerchen. Nun, der Genueser Winter ist noch in Aussicht, vielleicht wird er härter. In Betreff der Hallischen Pfefferkuchen bin ich alles Lobes voll, es ist mein „Leib“-confekt, das mir immer gut thut — und es freut mich, wie ich schon einmal schrieb, daß Ihr in Naumburg doch wenigstens etwas habt, das billig ist. Dienstag geht es fort nach Genua, leider sehr unbequem, mit Nachtreisen und Nachtankunft (fast 3 Tage unterwegs!) Dann kommt die Noth, Wohnung zu finden: ach, diese nächsten Wochen sind eine große Aufregung, und ich werde wohl viel krank sein! Adresse wieder: Genova (Italia) poste restante. Der Name Nietzsche unterstrichen, N sehr deutlich.