1884, Briefe 479–567
546. An Heinrich Köselitz in Annaberg
1/2 12 Uhr Sonnabend<Zürich, 18. Oktober 1884>
Lieber Freund Gast,
eben komme ich aus der Tonhalle: Heil dieser guten Stunde und Ihnen, der sie mir geschenkt hat! So ist denn Ihre Musik zum ersten Male erklungen, und ich bin stolz darauf, daß dies durch mich und für mich geschehn ist. Mag diese Löwen-Ouvertüre ein Symbol Ihres Laufs durch die Welt sein — so kühn, männlich, witzig, wacker lief sie dahin, ganz und gar nach meinem Herzen, voll hellen Himmels und gewißlich auch — voller Zukunft.
H<egar> will dieser Tage mit der Partitur zu mir kommen; über ein paar Einzelheiten schreibe ich nach dieser Besprechung. — Er sagte, sichtlich warm für Sie geworden, auf dem Orchester-Podium zu mir, gleich nach dem Schlüsse „wenn Sie* noch Etwas zu hören wünschten, so möchten Sie nur nach Zürich kommen“. —
Leben Sie wohl, lieber Freund — freuen Sie sich mit mir, denn ich freue mich unbändig.
Ihren verehrten Eltern meine Empfehlungen und — aus vollem Herzen — meine Glückwünsche!
Treulich
Ihr
N.