1884, Briefe 479–567
480. An Franz Overbeck in Basel
Nice, (France) Pension de Genève petite rue St. Etienne.
<25. Januar 1884>
Verzeihung, alter Freund, für dies Zettelchen — aber ich will eine gute Nachricht drauf schreiben. Seit vorigem Freitage ist „Also sprach Zarathustra“ vollkommen fertig — und ich bin mitten im Abschreiben. Das Ganze ist somit genau im Verlaufe eines Jahrs entstanden: im strengeren Sinne sogar im Verlaufe von 3 x 2 Wochen. —Die letzten zwei Wochen waren die glücklichsten meines Lebens: ich bin nie mit solchen Segeln über ein solches Meer gefahren; und der ungeheure Übermuth dieser ganzen Seefahrer-Geschichte, welche so lange dauert als Du mich kennst, 1870, kam auf seinen Gipfel. Wie es mit mir im auslaufenden Jahre stand, das gab mein letzter Brief zu verstehen. Auch mußte ich die völlige Fremdheit des Nizzaer Bodens reichlich büßen; sogar Geld-Verluste erheblicher Art hatte ich, indem meine Hauswirthin, der ich für Zimmer und Pension vorausbezahlt hatte, verschwinden mußte.
Jetzt habe ich mich in die stille zuverlässige Welt einer Schweizer-Pension zurückgezogen.
Die Vollendung meines Zarathustra hat meiner Gesundheit sehr wohl gethan. — Alter lieber Freund, das Nächste, was ich projektire, zur Erholung! ist ein großer Front-Angriff auf alle Arten des jetzigen deutschen Obscurantismus (unter dem Titel „Neue Obscuranten“); Dazu — habe ich Deinen Rath und Deine Beihülfe nöthig!
Von Herzen Dein N.