1884, Briefe 479–567
481. An Elisabeth Nietzsche in Naumburg (Entwurf)
<Nizza, Januar/Februar 1884>
Ich bin gerade in einer Stimmung, in der ich jeden Grad von menschlichem Blödsinn, (zumal über) moral<ische> Dinge, gutmüthig und kaltblütig über mich ergehen lasse: das will ich Deinem Briefe zu Gute kommen lassen. Auf den habe ich nicht zu antworten. Aber ich will Dir etwas erzählen.
Das Eine ist: von allen Bekanntschaften, die ich gemacht habe, ist eine der werthvollsten und ergebnißreichsten die mit L<ou>. Erst seit diesem Verkehre war ich reif zu meinem Z<arathustra>. Ich habe diesen Verkehr Deinetwegen abkürzen müssen. Verzeihung wenn ich dies härter empfinde, als Du mir nachfühlen kannst. L<ou> ist das begabteste, nachdenkendste Geschöpf, das man sich denken kann, natürlich hat sie auch bedenkliche Eigenschaften. Auch ich habe solche. Indessen das Schöne an bedenklichen Eigenschaften ist, daß sie zu denken geben, wie der Name sagt. Natürlich nur für Denker.
Es wird mir lieb sein, wenn Du mir schriebest: lieber Fr<itz> mein letzter Brief war Blödsinn sende ihn zurück — aber wenn Du es nicht thust, werde ich keine grauen Haare bekommen. A propos, könntest Du Dich nicht mit Frl. S<alomé> versöhnen?