1869, Briefe 1–633
36. An Wilhelm Engelmann in Leipzig
<Naumburg, 18. Oktober 1869>
Verehrtester Herr Doctor
ich weiß nicht, ob ich mir zu viel erlaube, wenn ich Ihnen beifolgendes Ms. zu geneigtester Berücksichtigung etc anempfehle. Der Verfasser derselben ist Dr. Andresen, den ich, aus meiner Leipziger Vergangenheit her, recht wohl kenne und mit Rohde zusammen unter die allerbeste Rubrik von Ritschl’schen Schülern rechne. Diese Arbeit ist hervorgegangen aus mehrjähriger sorgsamer und fruchtbarer Durcharbeitung des vielbesprochnen angeblich Tacitinischen dialogus de oratoribus und wird, bei der gegenwärtigen Verbreitung und Höhe der Taciteischen Studien, ihrer Güte halber Aufmerksamkeit erregen. Ich könnte Mehreres und Eingehenderes über dieselbe sagen, wenn ich nicht vorziehen müßte, einen Brief von Geheimrath Ritschl an mich beizulegen, aus dem das Urtheil dieser Autorität auf das Unzweideutigste erhellt. Hier wird auch vorgeschlagen und Andresen ist jeden Augenblick dazu bereit und fertig, den revidirten Text der Abhandlung voranzufügen, so daß dann die neue Ausgabe die günstige Aussicht hätte in den Schulen, in Vorlesungen und philologischen Seminarien gebraucht zu werden.
Ich möchte um Alles Ihnen nichts Ungeschicktes und Unbequemes empfohlen haben und bitte Sie daher, geehrtester Herr, um die freieste, kürzeste und unumwundenste Äußerung Ihrer Neigung und Abneigung gegen den vorgelegten Plan.
In jedem Fall bin ich, mit dem Ausdrucke dankbarer Hochschätzung Ihr ergebenster
Fried. Nietzsche Dr.
Professor in Basel
Vom 19ten Oktober bin ich wieder in Basel.