1882, Briefe 185–366
343. An Heinrich Köselitz in Leipzig
<Rapallo, 3. Dezember 1882>
Mein lieber Freund,
trotz alledem — will ich die letzten Wochen nicht zum zweiten Male erleben.
Auch habe ich gefroren wie nie im Leben. Endlich flüchtete ich in ein Albergo, unmittelbar am Meere, und mein Zimmer hat einen Kamin.
Mein Reich erstreckt sich jetzt von Portofino bis Zoagli; ich wohne in der Mitte, nämlich in Rapallo, aber meine Spaziergänge führen mich täglich an die genannten Grenzen meines Reichs. Der Hauptberg der Gegend, von meiner Wohnung an aufsteigend, heißt „der fröhliche Berg“, Monte allegro: ein gutes omen — hoffe ich.
Kommen Sie ja diesmal über Genua — wir treffen es im Leben nicht wieder so. Ich werde Ihnen, wie der Teufel, alle „Herrlichkeiten der Welt“ zeigen und will Sie damit nicht einmal „verführen“! —
Heinrich von Stein schrieb an mich, sehr verstummt (nicht verstimmt, wie es schien) und „mit ehrfurchtsvollem Gruße“.
Aber was werden Sie sagen: ich habe einen neuen Anhänger — nämlich Hans von Bülow („hingebende Theilnahme“ für mich)
Die Welt ist rund und muß sich drehn: machen wir „gute Musik“ dazu, alter Freund! Hier und da glaubt man wohl, man dürfe auch selber ein wenig mittanzen, aber Niemand will mit diesen Leierkasten-Männern tanzen — dazu sind sie nicht da.
Addio, es lebe der Gott Italiens.
Ihr Freund F N.
Ihrem Herrn Vater meine Verehrung und Dankbarkeit — Dank dafür, daß Herr Peter Gast da ist und daß er der und der ist! —
Adresse immer dieselbe, Santa Margherita Ligure.