1882, Briefe 185–366
242. An Paul Rée in Stibbe
Naumburg, Sonntags, bei hellem Wetter. <18. Juni 1882>
Mein lieber alter Freund, dieses deutsche Wolken-Wetter hat mich zu einer Art von Siechthum verurtheilt, so daß auch meine Vernunft mitunter nicht mehr vernünftig blieb — Zeugniß mein letzter Brief, für dessen schnelle Beantwortung ich Ihnen von Herzen gut bin.
Zeugniß zweitens meine Reise nach Berlin, um L<ou> und den Grunewald zu sehn; doch habe ich nur das Zweite erreicht — auf Nimmerwiedersehn! Am Tage drauf fuhr ich nach Naumburg zurück — halbtodt. — Ebenso wurde aus dem projektirten Aufenthalt in Leipzig nichts; ich hielt es auch nur Einen Tag aus.
Trotzalledem bin ich voller Zutrauen zu diesem Jahre und seinem geheimnißvollen Würfelspiel über mein Schicksal.
Ich reise nicht nach Berchtesgaden und bin überhaupt nicht mehr im Stande, allein etwas zu unternehmen. In Berlin war ich wie ein verlorner Groschen, den ich selber verloren hatte und Dank meiner Augen nicht zu sehn vermochte, ob er mir schon vor den Füßen lag, so daß alle Vorübergehenden lachten.
Gleichniß! —
Was wird nach Bayreuth? Ich combinire jetzt, daß auch meine Mutter Frl. Lou einladen könnte, daß sie etwa den Monat August in Naumburg zubrächte, und daß wir im September uns auf den Weg nach Wien machten. Sagen Sie Ihre Meinung, bitte.
Ich lege ein Billet an unsre sehr merkwürdige und allzusehr liebenswürdige Freundin bei; ich weiß nicht, wo sie ist. —
Ihrer verehrten Frau Mutter meinen Gruß und Dank — Sie wissen ja, wofür ich ihr gerade jetzt solchen Dank schuldig bin.
Von Herzen Ihr
Freund N.