1882, Briefe 185–366
236. An Franz Overbeck in Basel
<Naumburg, etwa 5. Juni 1882>
Mein lieber Freund,
seit mehreren Tagen krank, es gab einen äußerst schmerzhaften Anfall. Ich erhole mich langsam. — Nun Dein Brief! — Einen solchen Brief bekommt man nur Ein Mal, ich danke Dir von ganzem Herzen und werde es Dir nie vergessen. Ich bin glücklich für mein Vorhaben, das für uneingeweihte Augen sehr phantastisch schillern dürfte, den ganzen guten Menschen- und Freundes-Verstand von Dir und Deiner lieben Frau gewonnen zu sehen. Die Wahrheit ist: in der Art, wie ich hier handeln will und werde, bin ich einmal ganz und gar der Mensch meiner Gedanken, ja meines innersten Denkens: diese Übereinstimmung thut mir so wohl, wie mir das Bild meiner Genueser Existenz wohlthut, in der ich auch nicht hinter meinen Gedanken zurückgeblieben bin. Es sind eine Menge meiner Lebensgeheimnisse in diese neue Zukunft eingewickelt, und es bleiben mir hier Aufgaben zu lösen, die man nur durch die That lösen kann. — Übrigens bin ich von einer fatalistischen „Gottergebenheit“ — ich nenne es amor fati — daß ich einem Löwen in den Rachen laufen würde, geschweige denn — —
In Betreff des Sommers ist Alles noch im Unsichersten.
Ich schweige hier fort und fort. In Betreff meiner Schwester bin ich ganz entschlossen, sie außerhalb zu lassen; sie könnte nur verwirren (und sich selber vorerst)
Romundt war hier; brav und etwas mehr auf den Wegen der Vernunft.
Dir und Deiner lieben Frau von Herzen zugethan
F N