1874, Briefe 339–411
404. An Carl von Gersdorff in Hohenheim
Basel den 16 Nov 1874.
Mein lieber Freund, aus meinem langen Schweigen wirst Du wohl schon entnommen haben, dass ich mich mit beiden Beinen in die Wintersemester-Noth hineingestürzt habe und dass ich jetzt tüchtig zu schwimmen habe. Mitunter vergeht einem Hören und Sehen, folglich auch alles Briefschreiben. Wenn Du einmal nach Bayreuth schreibst, so sage doch gelegentlich, ich hätte noch nie einen so arbeitsvollen Winter gehabt und müsste mit Hülfe eines Stundenplanes von Morgens 8 — Abends 11 oder 12 es zu erzwingen suchen: nämlich 7 Stunden Universität, 6 Pädagog., lauter neue Felder (darunter griech. Litteraturgeschichte, wie Du weisst) Es geht toll zu, aber bis jetzt bin ich wohl und heiter, besonders auch darüber dass Magen und Augen es ganz gut aushalten. An Unzeitgemässe Dinge ist lange nicht zu denken, das Amt reisst mich nach andren Seiten fort. Seufzen behalte ich mir vor, auf die Zeit, wo ich dazu Zeit haben werde.
Heute ist des muthigen Freundes und Bruders Overbeck Geburtstag; er ist 37 Jahre geworden. — Wie glücklich waren wir alle zusammen bei Deinem Hiersein! Es war die vergnügteste Woche des ganzen Jahres; ich zehre daran und muss bei einigen Erinnerungen immer lachen.
Anbei einiges Herrliche und Unglaubliche aus Bayreuth: wer freut sich so, wie Du darüber?
Den schönsten Dank für Deinen Brief und die Bitte, über die Brieffaulheit eines Fleissigen nicht böse zu sein. Adieu alter guter Freund.