1874, Briefe 339–411
339. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Basel, 5. Januar 1874>Montag.
Meine liebe Mutter und Schwester,
so bin ich denn wieder hier, lebendig und mit leidlicher Gesundheit (zwar nicht ganz wohl, zumal etwas heiser) Schlag 4 Uhr Nachmittags war ich auf der Rheinbrücke; zu versteuern hatte ich nichts, auch gab es keine Unbequemlichkeit. Nachts war es kalt und ganz und gar uneingeheizt; ich fror an die Füsse und vermisste wärmere Fussbekleidung.
Ich ass mit Romundt zu Abend; seine Professur-Angelegenheit ist noch sehr im Unsichern, bestimmt ist nur Eins, dass er nicht der Nachfolger von Eucken wird; doch hoffe ich, dass er eine ausserord. Professur erhält. Die grösste Abneigung, einen Schopenhauerianer zu befördern, hat sich mehrfach kundgegeben, ja mit dem Rathe, Romundt möge doch anders wohin gehen. Alles dies ganz discret.—
Mein Sopha ist neu überzogen. Es sieht alles ganz ordentlich aus. Heute frühstücke ich um 11 Uhr. Overbeck ist noch nicht angekommen.
Und nun empfangt noch einmal meinen herzlichsten Dank; es waren ruhige und gute Tage und es scheint mir doch, dass ich mich etwas bei Euch erholt habe, besonders mit den Nerven. Eure schönen Weihnachtsgeschenke zieren mein Zimmer und Alles erinnert mich an Euch. Dass unser Zusammensein so kurz sein musste!
Lebt wohl und denkt
an mich. Euer F.