1874, Briefe 339–411
372. An Carl von Gersdorff in Gnadenberg
<Basel,> 4 Juli 1874.
Nun, liebster guter Freund, ich will dir bei aller Sommersonnengluth doch etwas erzählen. Erstens man sehnt sich nach Kühlung. Zweitens man schreibt tüchtig an der Unzeitgemässen, hoffte bis zu den Ferien fertig zu werden, kann es aber nicht, weil der Körper hinderlich ist und eine kleine Aufmunterung bedarf. Dagegen ist alles schon im schönen Zusammenhang, es wäre schade, wenn ich’s verdürbe oder vergässe. Wahrscheinlich gehe ich mit meiner Schwester etwas in’s Engadin. Mit Bayreuth bin ich über den guten Vorsatz nicht hinausgekommen; es scheint mir nämlich, dass sie dort ihr Haus und ihr Leben in Unruhe haben und dass gerade jetzt unser Besuch nicht passen würde. Ober mein Befinden sind sie übrigens beruhigt, Ihr habt alle euch in Schwarzseherei überboten. Endlich — ich kann jetzt nichts Anderes denken als das Fertigwerden und Gutwerden von Nr. 3. — Wie kamst Du übrigens, lieber Freund, auf den drolligen Einfall, meinen Bayreuther Besuch durch eine Drohung erzwingen zu wollen? Es sieht ja fast so aus, als ob ich freiwillig nicht hingehen möchte — und doch bin ich voriges Jahr zweimal, und vorvoriges Jahr zweimal mit den Bayreuthern zusammengetroffen — von Basel aus, und bei meinen erbärmlichen Ferienverhältnissen! — Wir wissen ja Beide, dass Wagners Natur sehr zum Misstrauen neigt — aber ich dachte nicht, dass es gut sei, dieses Misstrauen noch zu schüren. Und zu guterletzt — denke nur daran, dass ich gegen mich selbst Pflichten habe, die sehr schwer zu erfüllen sind, bei einer sehr gebrechlichen Gesundheit. Wirklich, es sollte mich niemand zu etwas zwingen.
Dies alles recht herzlich und menschlich aufzunehmen!
Denke Dir, dass der gute alte Vischer seit ein paar Tagen im Sterben liegt und die Familie um ihn versammelt ist. Du weisst, was ich an ihm verliere. —
Eben meldet man mir den Tod des Appellationsraths Krug, des Vaters meines Freundes. Mein Freund Pinder, ebenso wie Gustav Krug, machen im Herbst Hochzeit — und es blühn die Geschlechter weiter.
Für unsre Zusammenkunft habe ich etwas Sehr Schönes — ich bitte Dich aber, auch Deinerseits etwas mitzubringen. Vielleicht die italiänischen Übersetzungen!
Doch nur wenn du Zeit und Musse hast, Adieu, lieber getreuer Freund.