1874, Briefe 339–411
377. An Elisabeth Nietzsche auf der Frohburg
<Basel,> 9 Juli 1874
Nun, meine gute Lisbeth, hier ist das elende Geburtstagsbriefchen, in Schweiss und Angst geschrieben, denn es ist unerträglich heiss, und Du hast wohl gethan, oben zu bleiben und Milch zu trinken und mit Füchslein spazieren zu gehen. (Beiläufig: besagte Milch wüthete in meinem Magen derart, dass ich nächtlings drei Mal spazieren gieng, doch ohne Füchslein, aber im Hemdlein) Ich kam drei Minuten eher an als der Zug und hatte einen herrlichen Abendweg gemacht. Doch schmerzten die Augen sehr. Eben höre ich dass Frau Vischer-Heusler heute morgen abgereist ist; Overbeck, der dort war, aber niemanden gesprochen hat, brachte die Nachricht. Wahrscheinlich weisst Du es schon. Wann willst Du nun herabkommen? — Wie gesagt, bedenke, es ist unsinnig schwül. Ein Brief von Frau Willett liegt bei, ebenfalls eine etwas affectirte Traueranzeige von Krugs.
Sonstige edle Gaben beizulegen trage ich Bedenken, da ich gar nichts zu verschenken habe, es sei denn eine Anzahl Briefmarken, woran Du eine bescheidne Freude haben magst.
Aber schöne Wünsche fallen mir ein: alle Jahre mögest Du etwas jünger werden, bis hinauf zum 40jährigen Backfisch, nach dem bekannten Familienvorbilde. Alle Jahre mögest Du etwas reicher werden, mindestens um fünf Procent: so wirst Du mit ach<t>zig Jahren Dir ein Häuschen kaufen können, um darin das zweite Jahrhundert zu verleben. Ja sogar ein Wägelein könnte im 150 ten Jahre angeschafft werden; doch freilich weder für den Sommer zu gebrauchen, noch für den Winter, weil kein Pferdlein davor und kein Knechtlein darauf ist; nachdem naheliegenden Beispiele.
Endlich: ich wünsche Dir von Herzen, dass Du nicht Dein ganzes Leben mit Füchslein spazieren gehest, sondern einmal nieder zu Deinem Bruder herunterkommst.
In Schweiss und Tiefsinn
bleibe ich
Dein neunundzwanzig jähriger
Bruder