1875, Briefe 412–495
473. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
Steinabad bei Bonndorf bad. Schwarzwald den 25 Juli 1875.
Meine liebe Mutter und Schwester.
Hier sind neue Nachrichten von mir. Nach der letzten Untersuchung des Dr Wiel hat das Übel der Magenerweiterung schon abgenommen. Im Ganzen geht es mir erträglicher als in den ersten Tagen, doch habe ich immer noch den Magenkatarrh; was sich durch schlechten Geschmack im Munde, besonders Vormittags und ein Gefühl von Ermattung zu erkennen giebt. Mein Appetit fehlte mehrere Tage, sodaß von meinem Speisezettel die Fleische zu Mittag und zu Abend gestrichen wurden. Ich bin viel unterwegs, in den Wäldern und unterhalte mich dabei ausgezeichnet, so daß ich noch keine langweilige Stunde hatte; ausdenkend, überdenkend, hoffend, vertrauend, bald in der Vergangenheit und noch viel mehr in der Zukunft, so lebe ich und erhole mich recht dabei. Für Eure Briefe danke ich von Herzen; heute komme ich mit einer Bitte, die sich auf das beifolgende Notenheft bezieht. Der Naumburger Domthürmer soll mir schleunigst davon eine sehr gute Abschrift machen, so daß ich bei meiner Rückkehr nach Basel sie in den Händen habe; unser friedliches geschwisterliches Zusammenleben soll mit dieser Musik eingeweiht werden. Der Thürmer soll sehr deutlich schreiben, recht gutes und passendes Notenpapier nehmen und namentlich darauf sehen, daß die einzelnen Systeme nicht zu dicht übereinander stehen. Ich habe mir in dem Manuscript so geholfen, daß ich immer ein System ausließ; vielleicht macht er es ebenso, wenn er kein andres und passenderes Notenpapier bekömmt. Aber er soll seine Sache recht gut machen und sich nicht verschreiben. Bitte, meine liebe Elisabeth, dies ist eine Besorgung für Dich.
Mit Frau Baumann habe ich eine Correspondenz, die sich auf Beschaffung eines Klystiers bezieht und sehr ins Lächerliche verläuft. Sie sandte mir ein sehr thörichtes Instrument, das ich aber sofort wieder zurückaddressirte. —
Frau Wagner hat geschrieben, ebenso Frau Baumgartner, die heute mit ihrem Sohne in Bonn zusammen ist. Dann Gersdorff. Der kleine Dr Kelterborn will mich hier besuchen. Ein großer Brief von Dr Fuchs (kostete mich 2 frs. ob er schon 4 Groschenmarken draufgeklebt hatte) kam noch vor meiner Abreise.
Wir haben immer Regenwetter, es ist kalt, doch bin ich gut eingerichtet und führe einen ganzen Kleiderschrank von Sachen mit mir herum. —
Auf allem Eurem Schaffen und Herstellen, Einkaufen und Aufpacken, auch auf den zwei Schinken, von denen Du, meine liebe Mutter schreibst, möge mein Segen ruhn. Besonders aber auf Deiner Ankunft in Basel, meine Elisabeth. Es ist mein Trost zu denken, daß, wenn es mir bis jetzt schlecht gieng, nun wenigstens hier ein Riegel vorgeschoben wird.
Treugesinnt der Eurige
Fritz.