1875, Briefe 412–495
431. An Elisabeth Nietzsche in Bayreuth
Basel Freitag. <5. März 1875>
Meine liebe Lisbeth, ich schicke in aller Eile Dir Geld, indem ich mich zugleich schönstens bedanke, daß Du die Tischlermeister Rechnung bezahlt hast; Du sagst es wohl Frau W<agner>, daß dies abgemacht ist, ich fürchte immer, so etwas wird dann Wagners noch einmal auf die Rechnung gesetzt. — Ich schicke Dir Papiergeld, weil ich nicht wollte, daß Du Geld durch Postanweisung bekommst; bei Feustels wird Dir dies Papier gleich ausgezahlt. (Übrigens habe ich für die Seide 60 frs. zu zahlen gehabt, Quittung habe ich; an Frau Vischer nur 50 frs.) Große Freude hat mir Dein langer schöner Brief gemacht, er wurde sehr von mir erwartet. Nicht wahr, es ist eine hohe Schule für Dich, dieser ganze Aufenthalt in Bayreuth? Mit diesem Gedanken kann man dann schon über Vieles hinwegkommen. Und jedenfalls wirst Du einmal an diese Zeit mit großer Freude zurückdenken. Aus den Zeitungen habe ich von dem Wiener Concert erfahren. Wir Armen, daß wir jahrelang so abseits von dieser Musik gelebt haben! — Heute Mittag bin ich bei Adolf Vischers, ganz allein. Abendeinladungen habe ich jetzt der Reihe nach abgeschlagen, ich will sie mir ganz vom Halse schaffen, da sie mir selten gut bekommen. Morgen trifft Gersdorff hier ein, auf 14 Tage, das Vergnügen ist groß. — Fuchs hat aus Hirschberg in Schlesien geschrieben, recht zufrieden und muthig. Auch von Rohde verlautet Gutes. Das Schönste liest man immer in Briefen von Frl. von Meysenbug. — Unsre Sommerwohnung in Bayreuth gefällt mir sehr, ich kenne sie und war schon mit Gersdorff Krug und Rohde im „Salon“, um dort Musik zu machen.
Grüße die guten Kinder und führe ja die Fantaisie-fahrt aus, ich will an Euch dabei denken. Hast Du denn eigentlich das Theater schon gesehn? Die Photographien haben mir das größte Vergnügen gemacht, habe recht schönen Dank dafür! Deine Mittheilungen über die Bayreuther verstehe ich ganz gut, ich dächte auch nie behauptet zu haben, daß es eine „enthusiastische Stadt“ sei. Aber Du wirst doch auch merken, daß es eine Stadt ist, wo wir Alle regieren, und wenn wir auch nur das Klatschgespräch regieren: das heißt, man darf dort ungefähr leben, wie man will und kann, die Leute fügen sich. — Hier geht es arbeitsam zu, und wird im Sommer noch arbeitsamer werden. Ich lechze nach dem Sommer. Ich will Ostern nicht verreisen, einmal um etwas zu sparen (zu Gunsten der Sommerferien) zweitens weil ich meine Nr. 4 machen will. Die Nr. 3 ist in der Übersetzung fertig und abgeschrieben, wir hatten, im Vertrauen gesagt, den großen Wunsch und die Hoffnung, daß Frau W<agner> sie einmal durchlesen möchte; glaubst Du, daß es möglich sein wird? Und bald? — Die Abschrift ist wunderschön deutlich und wie gedruckt. —
Bitte, schreibe mir bald und ausführlich, Du machst mir eine große Freude. Und glaube es nur, ich brauche hier und da ein wenig Freude. Heute scheint die Sonne, ich denke mir, ihr fahrt nach Fantaisie.
Dein Dich liebender Bruder F.