1875, Briefe 412–495
464a. An Oskar Oehler in Dreilinden
Wirklich, mein lieber Onkel Oskar, es wird mir schwer, auf eine so herzlich gemeinte Einladung endlich doch mit Nein antworten zu müssen. Wenn aber die bösen Krankheiten erst Macht über einen gewinnen, dann ist man in doppelter Beziehung nicht mehr Herr seiner Entschlüsse, erstens dictiren die Krankheiten und zweitens die Herrn Ärzte ihre Befehle, und man kann von Glück reden, wenn diese beiden Befehlshaber übereinstimmen. In meinem Falle ist es ein kleines Bad im Schwarzwald, mit einem erfahrnen Arzt an der Spitze, wo ich Heilung für meine fast unerträglichen Magenleiden suchen soll; dies Bad ist ein Specialbad für solche Leiden und der Arzt ebenfalls ein alter Specialist, da wollen wir denn das Beste hoffen. Von diesen freilich sehr wichtigen Rücksichten auf diese Specialitäten abgesehn, bietet mir dieser Sommeraufenthalt nicht allzu viel und jedenfalls nicht das, was mir Deine Einladung in Aussicht stellte, einen herzlichen liebevollen Verkehr und ein friedliches Aussprechen unter treu gesinnten Menschen.
Meine Lisbeth sah diesen Sommer das Elend meiner sehr complicirten Existenz wieder mit an und hat sich entschlossen, da zu helfen, so gut sie kann. Unsre kleine selbstständige Wirtschaft wird für mich eine noch grössere Regelmässigkeit des Lebens zur Folge haben, und überdiess — worauf ich mir noch mehr Hoffnung mache — etwas mehr Wärme und Sonnenschein um mich herum. Und das ist nöthig, um sich für ein langes arbeitsames Leben zu rüsten. Du hast es in dieser Beziehung noch anders und wie mir scheint noch glücklicher verstanden, Dir das Leben einzurichten. Ich spreche bloss nach Hörensagen davon, und jetzt wo ich eine Gelegenheit der freundlichsten Art bekomme, mir Erfahrung über Dein häusliches Glück zu schaffen, muss ich gezwungen sein, einen Absage-Brief zu schreiben!
Behalte mich lieb, mein guter Onkel, wie auch ich Deiner und Deiner mir so sehr gerühmten und rühmenswerthen Frau immer mit Liebe und herzlichen Wünschen eingedenk bleiben werde.
Dein Fritz.
Basel den 12 Juli 1875.