1875, Briefe 412–495
438. An Marie Baumgartner in Lörrach
Basel Mittwoch. <7. April 1875>
Verehrte Frau
Der schöne Lörracher Brief hat geholfen den Sonntag auf eine gute Weise zu beschliessen; ich war und bin die letzte Zeit über sehr empfänglich für Leiden und werde deshalb um so dankbarer für Freuden sein. Der ganze „unterschwürige“ (kennen Sie das Wort?) Character des Lebens ist mir zu gewissen Zeiten jeden Jahres so deutlich, dass ich gar nicht aufhöre, mich schlecht zu befinden. Am Samstag muss ich auf ein paar Tage fort, zu einsamen Fusswanderungen.
Am selben Tage Abends geht Romundt von Basel fort; er möchte Sie gern noch einmal vorher sehen und wird deshalb am Freitag Nachmittag den Versuch machen, Sie zu Hause zu finden.
Nicht wahr, Sie werden doch noch nicht die nächste Woche nach Carlsruhe entführt? —
Die Montaigne-Stelle hat eine gewisse Perplexität erzeugt: nämlich: die deutsche Übersetzung lautet ganz anders als ich die Stelle im „Schopenhauer“ angeführt habe; falsch ist sie aber auch, wie die meinige Auffassung, nur in ganz anderer Weise falsch.
Ich empfehle nun in der französischen Ausgabe die Sache so zu wenden: wir streichen die Worte p. 17 „was er von Plutarch sagt“ und führen den Gedanken „Kaum habe ich einen Blick usw.“ so ein, dass er von m i r herrührt: was ja auch im Grunde das Richtige ist, da Montaigne jedenfalls etwas anderes sagt und seine Worte hier gerade nicht in den Ton meiner Stelle passen.
Der Entdeckerin meines Irrthums vielen Dank; es steht eben schlecht mit meinem Französisch, und bevor ich Montaigne idealisire, sollte ich ihn wenigstens richtig verstehen.
Mit herzlichen Wünschen allezeit
der Ihrige
Dr F. Nietzsche.
Auch lassen wir das „Bein“ weg und begnügen uns mit dem „Flügel“.