1876, Briefe 496–584
549. An Louise Ott in Paris
Basel 30 August 1876.
Meine liebe Frau Ott,
es wurde dunkel um mich, als Sie Bayreuth verliessen, es war mir als ob jemand das Licht mir weggenommen hätte. Ich musste mich erst wiederfinden, aber das habe ich gethan, und Sie können ohne Besorgniss diesen Brief in Ihre Hand nehmen.
Wir wollen an der Reinheit des Geistes festhalten, der uns zusammenführte, wir wollen in allem Guten uns gegenseitig treu bleiben.
Ich denke mit einer solchen brüderlichen Herzlichkeit an Sie, dass ich Ihren Gemahl lieben könnte, weil er Ihr Gemahl ist; und werden Sie es glauben, dass Ihr kleiner Marcel mir zehnmal des Tages in den Sinn gekommen ist?
Wollen Sie meine ersten drei Unzeitgemässen Betrachtungen von mir haben? Sie sollen doch wissen, woran ich glaube, wofür ich lebe.
Bleiben Sie mir gut und helfen Sie mir in dem, was meine Aufgabe ist.
In reiner Gesinnung
der Ihrige
Friedrich Nietzsche.