1876, Briefe 496–584
526. An Carl Burckhardt in Basel
Basel 19 Mai 1876.
Hochgeachteter Herr Präsident,
als ich Ostern 1869 in mein hiesiges Universitäts- und Schulamt eintrat, that ich es in der Erwartung, daß ich irgendwann einmal das nachholen werde, was ich, bei dem plötzlichen Übergang von Lern- in Lehrjahre, mir hatte versagen müssen — nämlich eine größere Reise nach dem Süden zu Zwecken einer freieren wissenschaftlichen Ausbildung zu machen. Verschiedne persönliche Gründe bestimmen mich, den Wunsch auszusprechen, daß mir gerade in diesem Jahre (von Mitte Oktober an) die Erlaubniß zu dieser Reise ertheilt werde; ich hebe von diesen Gründen nur den Einen hervor, daß ich in den letzten 7 Jahren zunehmend kränklicher geworden bin, daß ich manche schwere Zeiten durchzumachen hatte und mich namentlich letzten Winter in einem, wie mir scheint, gefährlichen Gesundheitszustande befunden habe.
Ich bitte Sie nun, hochgeehrter Herr Präsident, einer löblichen Curatel meine Bitte zur Erwägung vorzulegen
es möge mir von Herbst 1876 an ein längerer, mindestens einjähriger Urlaub gewährt werden.
Für die Zeit meiner Abwesenheit verzichte ich, wie sich dies von selbst versteht, völlig auf den mir bisher zukommenden Gehalt.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Dr Friedrich Nietzsche
Prof. o. p.