1876, Briefe 496–584
525. An Erwin Rohde in Jena
Basel den 16 Mai 1876.
Wie gerne hörte ich etwas von Dir lieber Freund! Aber ich kann mir auch denken, daß Du jetzt gar keine Lust zu Briefen hast. Es beunruhigt mich ein wenig, Deinen „Roman“ noch nicht angekündigt zu sehen, hoffentlich ist kein neuer Kobold Dir in den Weg getreten. Von mir selbst wirst Du ein paar Zeilen erhalten, haben, die ich nach meiner Rückkehr vom Genfersee an Dich schrieb (mit der Addresse nach Jena) Es geht mir recht erträglich, nur wollen die Augen ihren Dienst nicht thun. Aber Kopf und Magen sind in Ordnung, ich strenge mich aber auch nicht an und habe ein paar alte fromme Pferdchen meinen Studenten vorgeführt, die ich halb im Schlafe reiten kann. — Meine Arbeit, für die ich alle Kräfte sammle ist der Monat in Bayreuth. Um Weihnachten glaubte ich nicht daß ich ihn erleben würde. —
Ein junger Musiker, der meinetwegen auf ein paar Jahr nach Basel gekommen ist und den ich seines Talentes und seiner Seelengüte halber sehr schätze, ist mir in allen Stücken hülfreich. Nun möchte ich ihm gern in Einer Sache auch hülfreich sein: ich frage mich, wie ich es ermögliche, ihn nach Bayreuth zu bringen. Durch Wagner ist es leider, wie ich bestimmt weiß, unmöglich. Hast Du vielleicht noch über einen Cyclus von 4 Abenden zu verfügen? Ich höre, daß Du stolzer Inhaber von 2 Patronatsscheinen bist. Würdest Du vielleicht auf meine Fürsprache jenem Musiker das Anrecht darauf geben? Er heißt Köselitz und ist ein Instrumentalcomponist, der als ein Würdiger und wahrhaft Lernender unter dem Chaos der Bayreuther Festgäste sitzen würde.
Bitte nur ein Wort über diese Anfrage, mein treuer geliebter Freund.
Ich bin der Deinige
F N.