1861, Briefe 202–291
287. An Franziska Nietzsche in Naumburg
<Pforta, 26. November 1861>
Liebe Mutter
Es ist heute die Reihe an mir, eine Trauerbotschaft zu überbringen. So eben, Dienstag Abend um sechs Uhr ist der Obersecundaner und Ordnungsgenosse von mir Wilhelm Peter, Sohn des Rektors, verschieden. Du kannst dir die Schnell<ig>keit seiner Krankheit kaum vorstellen. Gestern erst ernstlich krank war er am Nachmittag selbigen Tages schon vom Doktor aufgegeben, dennoch lebt er einen ganzen Tag noch im fortwährenden Phantasieren. Grund ist eine Erkältung, die Krankheit ein rheumatisches Fieber, das erst an die Nieren und zuletzt an das Herz getreten ist. Wir können es eigentlich noch gar nicht glauben, so unerwartet ist es gekommen. Das Jahr hat wirklich schon schwere Opfer von der Pforte gefordert, wie sich besonders am neulichen Todtenfeste herausstellte. Es ist sehr traurig!
Wie geht es euch denn? Ich möchte so gern nächsten Sonntag etwas länger bei euch zubringen und besonders bei Domrich unsre Bücherangelegenheit besorgen. Kannst du mir nicht einen Brief schreiben auf irgend etwas? Es ist nächsten Sonntag erster Advent, worüber ich mich sehr freue. die schöne Weihnachtszeit kommt immer näher heran. Vielleicht schreibe ich Lisbeth noch einige Worte speziell über Weihnachten. Am vorigen Ecce wurde übrigens auch der selige Menzel als in diesem Jahre heimgegangner Pförtner <genannt>. Hr. Prof. Steinhart hielt eine sehr schöne Rede. Sonst weiß ich nichts mehr zu schreiben, außer daß ich täglich und stündlich die Kiste erwarte von wegen der Wäsche. Lebe recht wohl! Liebe Mamma!
Dein Fritz