1861, Briefe 202–291
230. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Pforta, April 1861>
Liebe Mamma!
Es freut mich ungemein, daß ihr wiederzurückgekehrt seid. Ich habe Tag zu Tag darauf gewartet; denn wir haben uns seit den Ferien noch nicht wieder gesehen, und das ist eine lange Zeit. Daß es euch so wohl gefallen hat, ist mir sehr lieb; ich wäre so gar gern mitgereißt, da ich noch nie in Maßnitz gewesen bin. Herzlichen Dank für alle Grüße der lieben Großmamma und Verwandten! Was mich anbelangt, so ist mein Befinden nicht das beste, da mein Schnupfen sehr zugenommen hat, auch mein Husten mir unangenehm fällt. Nun das wird alles schwinden, wenn erst die Witterung schöner und die Tage sonniger werden. Habt ihr denn mir meinen Don Juan mitgebracht? Schicke mir ihn ja mit der nächsten Kiste, die ich euch morgen senden werde! Vielleicht auch etwas gegen den Husten, um dessen willen ich den Dr. nicht befragen mag. Was Schenk betrifft, so ist seine Krankheit sehr gutartig; auch hat er schon fünf Leidensgefährten; die Masern scheinen wieder ordentlich überhand zu nehmen. Ich habe ihn immer alles herüber besorgt, was er wünschte; sehen und sprechen darf ich ihn der Ansteckung wegen nicht. Nun noch, liebe Mamma, ein Wort mit dir allein. Auch mir erscheinen jene sonst so schönen Osterferien durch die häßlichen Vorfälle getrübt und verfinstert, und es berührt mich, so oft ich daran denke, sehr schmerzlich, daß ich dich so betrübt habe. Ich bitte dich noch recht herzlich um Verzeihung liebe Mamma! Denn es wäre doch traurig, wenn ich durch diesen Mißklang unser schönes, gegenseitiges Verhältniß gestört hätte. Verzeihe mir doch ja liebe Mamma, aber dann bitte ich dich, nie mehr dieser Ereignisse zu gedenken, sondern sie als ungeschehen zu betrachten. Ich will mich fernerhin auch so sehr ich kann, bemühen, durch mein Betragen und Liebe zu dir den verursachten Riß auszufüllen. Schreib mir noch einmal darüber, liebe Mamma! — Grüße Lisbeth vielemal von mir. Ich möchte sie so gern wiedersehn, hoffentlich doch Sonntag 4—6 in Almrich!
Dein dich herzlich liebender Fritz.