1887, Briefe 785–968
890. An Emily Fynn in Maloja
Mittwoch <Sils-Maria, 17. August 1887>
Hochverehrte Frau,
so eben finde ich mitten in einem Wust alter Rechnungen das kleine beiliegende Bildchen der Villa Badia, welches Sie aber erst in schöne blaue und braune Farben übersetzen müssen, um es erträglich zu finden. Zwar schien es mir, daß Sie im Grunde jetzt das Reisen gerne bereit sind ad acta zu legen, ja daß Sie sich einen Gewinn von der Heimkehr gerade auch in Hinsicht auf Ihre ausgezeichnete Freundin versprechen: und in so fern kommt die Villa Badia zu spät. Es müßte denn sein, daß Sie die Heimreise über die Seen nähmen und dann Turin-Genf. Für diesen Fall empfiehlt sich ein Zwischenakt am genannten Ort; die zauberhaften Farben des Herbstes daselbst, der Reichthum an Feigen, an herrlichen Bäumen, das Klösterliche und Vornehme der Lage und Anlage — ich zweifle nicht, daß Sie zusammen eine tiefe schöne Erinnerung von dort heimbringen würden.
Inzwischen, nach jenem köstlichen und reichen Tage bei Ihnen, habe ich gelebt wie ein Höhlenbär — sehr arbeitsam und, wie mir scheint, verbessert in Hinsicht auf Gesundheit und Geduld. Wenn Alles glückt, was ich just unter der Hand habe, gedenke ich ein paar Stunden der Erholung bei Ihnen zu feiern, hoffend, daß inzwischen auch bei Ihnen der schöne Sommer und die heroïsche Landschaft Malojas stärkend und hoffnungsgebend gewirkt hat. —
Ihnen Allen in treuer Verehrung und Anhänglichkeit zugethan, bin ich, meine hochverehrten Damen
Ihr ergebenster Diener
Dr Fr. Nietzsche Prf.