1880, Briefe 1–73
33. An Franz Overbeck in Basel (zwei Postkarten)
<Venedig, 22. Juni 1880>
Liebster Freund, das Geld ist angekommen, schnell zum Erstaunen. Ich wußte noch nicht bestimmt, wohin reisen; auch heute weiß ich es noch nicht, wahrsch<einlich> nicht weit weg, in Wälder, deren Schatten man mir garantirt <im Krainischen> Genaues baldigst! nebst der neuen Adresse. Wäre es Dir möglich, 2 theolog<ische> Bücher auf 4 Wochen zu entbehren? nämlich Lüdemann’s Anthrop<ologie> des Paulus und das Buch über Justinus, welches Du mir öfter genannt hast. Dann möchte ich Wackernagels gedruckten Aufsatz über die Bramanen und seinen andern (ungedruckten?) über den Buddhismus. Siehst Du ihn gelegentlich? — Ich habe Deine „Christlichkeit“ wieder durchgelesen, mit sehr viel Freude an dem erstaunlich reichen Inhalte und der vorzüglichen Disposition, ich bin dieser Lektüre etwas würdiger geworden, denn ich habe inzwischen über mancherlei nachgedacht und zwar rechts und links.
Ich freue mich sehr, daß J. Bur<c>khardt meiner noch gedenkt.
(Fortsetzung.) Als Du das Buch schriebst, habe ich wie ich jetzt mit Beschämung merke, neun Zehntel nur zu verstehen geglaubt. Es sind so viele feine Linien darin, daß man recht genau zusehen muß, um alle Freude zu haben. — Von meinen Schriften höre ich kein Wort; glaube ja nicht, daß ich damit unzufrieden bin! — Schm<eitzner>’s neuestes Unternehmen von dem Du schreibst, widert mich an; ich bin ungehalten, daß er nicht ein Wort gegen mich davon gesagt hat. — Meine Gesundheit hat in Venedig sich besser befunden als in Naumburg und Riva, mein Aussehen ist gut. Im Übrigen noch sehr beim Alten. — Von Dr. Rée beunruhigende Nachrichten. — Dir und Deiner lieben Frau die herzlichsten und dankbarsten Grüße sendend
Dein Freund.