1879, Briefe 790–922
900. An Heinrich Köselitz in Venedig (Postkarte)
<Naumburg, 5. November 1879>
Schönsten Dank, lieber Freund, für den Wink, ich wünsche den Anschein der Weiberverachtung nicht und habe den passus ganz gestrichen. Wahr ist es übrigens, daß urspr<ünglich> nur die Männer sich für Menschen gehalten haben, noch die Sprachen beweisen es; das Weib hat wirklich als Thier gegolten, die Anerkennung des Menschen in ihm ist ein<er> der größten moralischen Schritte. Meine oder unsre jetzige Ansicht vom „Weibe“ sollte mit dem Worte „Hausthier“ nicht berührt sein. — Ich urtheilte nach Huntley’s Beschreibung der Frauenlage bei wilden Völkerschaften. —
Sehr lieb ist mir zu hören, daß Sie den Nachsommer nicht kennen, ich verspreche Ihnen etwas Reines und Gutes. Ich selbst kenne ihn seit kurzem, Rée sagte mir einmal, in ihm stehe die schönste Liebesgeschichte, die er je gelesen, das fiel mir ein.
Fahren Sie fort, bei der Corr<ektur> zu winken und zu warnen. Der Boden des Mißverständnisses ist bei dieser Schrift so oft in der Nähe; die Kürze, der verwünschte Telegrammstil, zu dem mich Kopf und Auge nöthigt ist die Ursache.
Von Herzen F. N.