1879, Briefe 790–922
877. An Franziska Nietzsche in Naumburg (Postkarte)
<St. Moritz, 29. August 1879>(Freitag)
Herzlich dankbar für Deinen eben empfangenen Brief, so wie für den vorherigen. Ich schrieb nicht, es gieng gar nicht gut! Der Freund Overbeck kam besorgt hinzu, er hat gewiß keinen tröstlichen Eindruck mit fortgenommen. Ich weiß noch nicht, was ich mit dem Winter anfange, ich bin aller Dinge so müde. Vielleicht daß ich doch noch im September zu Dir komme. Ich habe das viele Spazierengehen (ich bin 8 Stunden täglich im Freien!) so satt, meine Augen wollen Halbdunkel, und dann recht viel Vorlesen, damit ich nicht immer nachdenke — meine einzige Beschäftigung außer meinen ewigen Schmerzen. Lesen kann ich nicht, mit Menschen verkehren kann ich nicht, die Natur hier kenne ich auswendig, sie zieht mich nicht ab. Die Luft ist aber gar zu gut, mir graut davor, sie zu verlassen. Ich sage immer noch, was ich am 2tn Tage schrieb „nirgendswo spüre ich diese Erleichterung durch die Luft, selbst bei den heftigsten Schmerzen.“ — Woher hast Du „bessere Nachrichten“ über mein Befinden gehabt? Auch L<isbeth> schreibt davon — aber ich weiß nichts von „besseren“ Zeiten! —
In herzl<icher> Liebe
F.
Schmerzen, Schmerzen, Schmerzen.