1879, Briefe 790–922
867. An Franziska Nietzsche in Naumburg
St. M<oritz> 21 Juli <1879>Montag Vormittag.
Meine liebe gute Mutter, eben wollte ich schreiben und Dich bitten, doch ja in Erfahrung zu bringen, wann der Termin abläuft. Da kommt, sehr zur guten Stunde, Dein lieber Brief. Also: ich verpflichte mich förmlich, auf 6 Jahre 17½ Thl. (oder, wenn der ganze Zwinger zu erhalten ist, das Doppelte) jährlich zu zahlen. Aber das Thurmzimmer muß ich haben. Der Gemüsebau entspricht ganz meinen Wünschen und ist auch eines zukünftigen „Weisen“ keineswegs unwürdig. Du weißt, daß ich zu einer einfachen und natürlichen Lebensweise hinneige, ich bestärke mich immer mehr darin, es giebt auch für meine Gesundheit kein anderes Heil. Eine wirkliche Arbeit, welche Zeit kostet und Mühe macht, ohne den Kopf anzustrengen, thut mir noth. Hat nicht mein Vater gemeint, ich würde einst wohl ein Gärtner werden? Freilich bin ich ganz unerfahren, doch sonst nicht dumm, und Du wirst mich zuerst etwas anstellen müssen.
St. Moritz ist der einzige Ort, der mir entschieden wohlthut — täglich, bei gutem und schlechtem Wetter, bin ich dieser Luft dankbar. Da wird nun noch manchmal die Reise hierher gemacht werden, das sehe ich voraus. Aber vor Mitte Juni ist es ganz unräthlich, zu kommen, und man bleibt sehr lange, wenn man bis Mitte September aushält. Wie vereinigt sich das mit den Gärtner-Pflichten! Was meinst Du? (Was für Obst giebt es im Zwinger?) Für die Gartenarbeit bliebe April Mai Juni bis zur Mitte und von Ende September bis November — das sind, wie mir scheint, die Monate der wichtigsten Arbeiten.
Karlsbad zu trinken ist irgendwann dringend nöthig, des Unterleibs wegen. Mit dem Magen bin ich jetzt, wo ich mich selber im Zimmer beköstige (Milch Eier Zunge Pflaumen (getrocknete) Brod und Zwieback) völlig in Ordnung. Ich war noch in keinem Hotel oder Restaurant. —
Die Augen machen mir große Sorge, sie allein machen keine Fortschritte (was ja leider, nach dem Urtheil der 3 Autoritäten auch gar nicht möglich ist). — Wird jemand in N<aumburg> zu finden sein, der mir zu einer bestimmten Stunde täglich vorliest oder nachschreibt?
Mit dem herzlichsten Danke
Dein Sohn.
(Mir graut vor dem nächsten Winter, nach den Erfahrungen der letzten.)
St. M 21 Juli (ich bin gerade einen Monat hier)