1871, Briefe 118–182a
158. An Auguste Forst in Wiesbaden
Basel 23 Sept. 71.
Sie verstehen zu bitten, Signorina, und zu fordern! Wie grausam, kalt und unempfindlich muß ich Ihnen jetzt erscheinen, wenn ich trotzdem — Nein sage.
Ich kann von meinen Ferien nichts, gar nichts mehr abgeben, nachdem bereits nur zu viel von mir für diese Zeit verabredet ist. Ich habe einer Zusammenkunft von Freunden in Leipzig bereits eine Woche concedirt — nicht sowohl der Freundschaft wegen — sondern ziemlich langwieriger Verabredungen halber, die für mich den Charakter von Pflichten und Aufgaben haben. Zu diesen muß ich mich sofort, wenn ich in unserer Naumburger Heimlichkeit und Stille angelangt bin, vorbereiten: weshalb es vor allem meine Aufgabe ist, nicht inzwischen den Kopf zu verlieren — Auch auf meiner Rückreise giebt es noch einen Verlust von zwei Tagen, zu einem ähnlichen Zweck.
Ja, Sie denken an den herrlichen Begriff einer Ferienreise! Ich kenne nur noch Gesundheits- und Geschäftsreisen.
Lassen Sie also, ich bitte, zur rechten Zeit meine Schwester los und fangen Sie nur ebenfalls zur rechten Zeit an, für mich ein Schuldbuch anzulegen.
Verzeichnen Sie in demselben auf Seite 1 als erstes Verbrechen:
„verweigerter Besuch trotz einem der schönsten Briefe seiner Zeit und meiner Hand“
Mit bestem Danke und freundlichster, doch unerbittlicher Gesinnung
der Ihrige
Dr Friedr Nietzsche