1871, Briefe 118–182a
119. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Basel, wahrsch. 21. Januar 1871>
Liebe Mutter und Schwester,
so will ich denn sogleich antworten, mich zu entschuldigen so gut es geht. Wirklich ist meine Gesundheit in der letzten Zeit nicht gut gewesen, und ich lechze nach Erholung und besserer Luft, vor allem nach weniger Berufsarbeit. Gelegentlich habe ich die ganze Professorenthätigkeit satt. Man kommt nicht recht zu seiner eigentlichen Aufgabe und verzehrt sich in der besten Zeit seines Lebens durch übermäßiges Schulmeistern — Zeter!
Schlechter Magen, schlechter Schlaf, zu wenig Bewegung, große Angegriffenheit, und unleidliches Wetter!
Beiläufig — um das Letzterwähnte Deines Briefes nicht zu vergessen — seitens meines Herrn Onkels ist bis jetzt noch keine Zeile, geschweige denn ein Pfennig eingelaufen.
Der gute Bergmann hat mich auf seiner Reise hier besucht und mit Zeichen seiner Liebe wahrhaft überhäuft. Ich wußte es, daß er nicht zurückkommen würde und nahm mit diesem Bewußtsein von ihm Abschied. Er war sehr leidend.
Meinem trefflichen Vetter Rudolf wünsche ich immer das Allerbeste, denn er verdient es. Schickt ihm doch beifolgende Karte von mir zur Gratulation.
Wie stehen eigentlich meine Vermögensverhältnisse? Ich habe gar keinen Überblick mehr. —
Prof. Fritz Brockhaus, der Bruder von Clemens (der Euch recht grüßen läßt) hat sichere Aussicht, hierher nach Basel berufen zu werden. Ich habe einen kleinen Antheil an dieser Berufung. —
Heute ist Samstag. Ich will tüchtig spazieren laufen, nur ist es sehr schmutzig. Die Nacht habe ich keinen Augenblick geschlafen. Ich bin froh daß die Woche zu Ende ist.
Nun nochmals schönen Dank für Eure Briefe. Entschuldigt meine Nachlässigkeit und denkt meiner freundlich.
Fritz.