1873, Briefe 287–338a
291. An Carl Riedel in Leipzig (Entwurf)
<Basel, nach dem 27. Januar 1873>
Ich habe über verschiedene Schwierigkeiten bei unserem Unternehmen nachzudenken Zeit gehabt, denn ich lag mehrere Tage krank zu Bette, und beeile mich heute, in Antwort auf Ihren geehrten letzten Brief Ihnen meine Ansichten zu geneigter Prüfung vorzulegen. Mit dem dritten Preisrichter wollen wir doch ja recht streng und vorsichtig sein: Simrock bekommen Sie schwerlich, er ist steinalt. Ich bin entschieden eingenommen (wie ich Ihnen auf das offenste erkläre, lieber Herr Prof) gegen Dr Fr. Stade als Preisrichter: ich sage dies Ihnen privatissime, aber muß es sagen. Sie wissen daß ich ihn als Menschen gern mag. Aber seine neuere Schriftstellerei ist höchst bedenklich, und hat so vielfachen Anstoß (selbst zu ausgelassenem Gelächter) gegeben, daß wir unserer Sache nicht dienen, wenn wir gerade ihn mit hinzuziehen. Wollen Sie meinerseits einen Vorschlag gütigst hören, so würde ich Herrn Hans von Bülow nennen, von dessen unbedingt gültigem Urtheil, von dessen kritischer Strenge ich die allergünstigste Meinung und Erfahrung habe. Es kommt sehr darauf an daß wir einen recht klingenden ebenso anspornenden als abschreckenden Namen finden — und das ist der Name Bülows.
Sind wir darin einer Ansicht? —
Nun kommt das Wichtigere: Lieber Herr Prof. ich finde die Preissumme äußerst gering und in Anbetracht des überaus wichtigen Themas und Anlasses weit zu gering. Wir müssen es durchaus wenigstens mit den Preissummen einer deutschen Akademie aufnehmen können, dies allein scheint mir eines so großen Vereines und eines so einzigen Anlasses würdig. Andrerseits betrachte ich jede größere Geldausgabe von unserer Seite, so lange es mit der pekuniären Unterstützung von Bayreuth so schlecht steht, als eine strafwürdige Verschwendung, so edel sonst die Zwecke sein mögen.
Beide Sorgen und Beängstigungen haben in mir folgenden Gedanken geweckt, den ich Ihnen recht herzlich zur Erwägung anempfehle.
Der Verein verspricht als Preis einen ganzen Patronatsschein. Die Mittel dafür bringen wir auf folgende Weise auf. Hundert Thaler sind also bereit, dann verkaufen wir die gekrönte Preisschrift an einen tüchtigen Verleger etwa zu hundert Thalern (etwa 8 Bogen, Auflage 1000, also c. 13 Thaler für den Bogen, mäßig und anständig bezahlt — das können wir, für eine gute Schrift immer bekommen.) So haben wir 200 Thaler: 50 Thl. will ich persönlich noch hinzulegen, in dem Falle daß sich noch einer findet, der 30 Thl. schenkt. (Vielleicht der Verein selbst?) Der Wettbewerb um einen ganzen Patronatsschein wird, das kann ich Sie versichern, ein sehr lebhafter sein. Wir müssen durchaus an die allerbesten Kräfte unter den deutschen Schriftstellern appelliren, und bedenken daß wir eine große öffentliche Verantwortung haben. Ich will sagen, es muß bei dieser ganzen Preisangelegenheit, durchaus vornehm und würdig zugehn.