1877, Briefe 585–674
603. An Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Sorrent, 31. März 1877> Sonnabend v. Ostern
Liebe gute Schwester, ich danke herzlich für Deine Briefe und antworte erst heute, weil ich nicht wußte, was ich antworten sollte; eigentlich weiß ich es heute auch nicht. Glaubst Du nicht, daß ich nach 6 Wochen B<ertha> R<ohr> nicht mehr ausstehen werde und sie nicht mehr sehen hören kann? Vielleicht übertreibe ich. Sonst weißt Du ja, wie wir zusammen über sie denken, Illusionen haben wir uns wohl nicht gemacht; oder doch? — Hier redet man mir zu in Bezug auf Nat. Herzen, was meinst Du? Aber 30 Jahre ist sie auch, es wäre besser, daß sie 12 Jahre jünger wäre. Sonst ist ihre Art und ihr Geist recht gut zu mir passend. — Bei Gersd<orff> sind die Mitgift-fragen immer noch nicht geordnet, es ist eine sehr verwickelte Geschichte. Aber schweige darüber. — Seydlitzens sind da, voller guten Willens und Artigkeiten für mich. Allmählich wird es wohl gelingen, den sehr guten begabten S<eydlitz> „einzufreundschaften“. Seine junge Frau ist Ungarin, sehr angenehm. — Hast Du Frau Wagner auf ihren Brief geantwortet? Wagners gehen den <Mai> nach London, und ich muthmaße etwas in Betreff Deiner. — Auf Capri trafen wir zufällig Besucherinnen der Bayreuther Feste, wie es schien aus der nächsten Umgebung von Bayreuth, ein junges Mädchen hieß A. v. T. Wer ist das? — Hier ist es jetzt Frühling geworden, oder beinahe soviel. Heute wieder trübe. Mir geht es die letzte Zeit etwas besser.
Von Herzen Dein Bruder.
Das musik. Wochenblatt über mich kenne ich.
Erwäge doch auch einmal die kleine Köckert. — (Religiöse Freisinnigkeit absolute Bedingung!)