1877, Briefe 585–674
596. An Reinhart von Seydlitz in Davos
<Sorrent, Mitte Februar 1877>
Lieber guter Freund, nichts als eine Anfrage — ausser dem allerherzlichsten Danke für Ihren Brief. Geht es Ihrer Gesundheit so gut und förderlich, um Bestimmungen über das Frühjahr treffen zu können? Ich hoffe und wünsche es aus ganzem Herzen. — Mich würden Sie nach wie vor in Sorrent finden. Meine beiden Freunde und Begleiter verlassen mich Ende März, und ich bleibe mit Frl. von Meysenbug (welche sich dankbar Ihrem verehrten Kreise empfiehlt) allein hier zurück.
Meinen Augen geht es schlechter, meinem Kopfe nicht wesentlich besser — also, mit altitaliänischer Wendung (welche ein päpstlicher Nepote zuerst gebrauchte; die Gerichtsdiener kamen, ihn zum Tode zu führen) „Va bene, patienza!“
Die Tage sind ausserordentlich schön; eine Mischung von Meer- Wald- und Bergluft herrscht hier, und viele halbdunkle stille Wege giebt es. Manche Pläne gehen uns Beiden (Frl. v. M<eysenbug> und mir) durch den Kopf, und Sie kommen immer mit darin vor.
Vor allem: wenn man keine Gesundheit hat, soll man sich eine anschaffen. — Haben wir sie aber, dann soll noch manches Gute zu Stande kommen, nicht wahr?
Treulich der
Ihre
Friedrich Nietzsche
Sorrent, Villa Rubinacci
(eventuell können Sie hier Wohnung finden)